„Wir wissen nicht, wie es weitergehen soll“

■ Die „andere“ Seite: Geflohene Frauen in Bosnien-Herzegowina

Am 18. Juli 1993 begann in Bugojno die Offensive der Bosnischen Armee. Starke Kräfte der HVO, der bosnisch-kroatischen Armee, versuchten den Vormarsch zu verhindern. Am 27./28. Juli gewann die Bosnische Armee (BiH) die Oberhand, was eine Fluchtbewegung der kroatischen Bevölkerung auslöste. Dabei zeigten sich Verbrechen der Bosnischen Armee an der kroatischen Bevölkerung. Offenbar waren daran auch Freiwillige aus islamischen Ländern, sogenannte Mudschaheddin, beteiligt. Nur eine der interviewten Frauen war bereit, mit ihrem vollen Namen genannt zu werden.

Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Nada Zelic (40): Ich komme aus dem Dorf Kandija, ein ausschließlich kroatisches Dorf in der Nähe von Bugojno. Es ist eine sehr schöne und fruchtbare Gegend dort. Am 24. Juli kam das Unheil über uns. Granaten schlugen in unser Dorf ein, Soldaten kamen und gingen von Haus zu Haus.

Slavenka M. aus Glavica (25): Bei uns war es ähnlich, erst die Granaten, dann die Männer. Es waren Mudschaheddin, die waren in Uniformen der BiH-Armee, aber auch der HVO, sie sprachen in einer uns nicht bekannten Sprache. Sie haben in den Nachbardörfern viele Menschen umgebracht, sie nahmen die jungen Mädchen und vergewaltigten sie. Selbst gesehen habe ich, wie eine 19jährige Soldatin der HVO zuerst vergewaltigt und dann ermordet wurde. In der Nacht vom 24. auf den 25. Juli sind wir dann geflohen.

Gab es keinen Schutz für Sie?

Nada Zelic: Zwar hat die HVO versucht, uns zu schützen, aber gegen die Übermacht war nichts zu machen. Viele Männer sind im Kampf gefallen. In Bugojno gab es viele Verletzte. Und im Stadtzentrum sind immer noch über 4.000 Kroaten eingeschlossen. Wir dagegen konnten fliehen, ungefähr 5.000 sind dann am 25. losgegangen. Wir sind zwölf Stunden zu Fuß gelaufen, bis hinüber zu den serbischen Linien. Dort wurden wir auf Lastwagen verladen und dann zum Kuprespaß gebracht, wo wir auf kroatisch kontrolliertes Territorium gelangen konnten. Ein Teil von uns ist jetzt hier in einer Schule untergebracht, andere sind ins Ausland, wenn sie Verwandte da hatten, der Rest ist über die Westherzegowina verstreut. Wir haben alles verloren, wir wissen nicht, wie es weitergehen soll. Am liebsten wollen wir natürlich zurück.

Slavenca M.: Früher war es ein friedliches Leben in unserer Gegend, wir haben alle gut zusammengelebt. Dann griffen die Serben an, und seit Mitte April war es auf einmal zwischen Muslimanen und Kroaten gespannt.

Gibt es keine Brücken zwischen den verschiedenen Gruppen?

Anonym: Meine Mutter hatte eine muslimanische Frau aufgenommen gehabt und monatelang durchgefüttert. Während der Kämpfe ist diese Frau mit dem Messer auf meine Mutter losgegangen. Nein, das ist keine Dankbarkeit. Ich kann mir nicht mehr vorstellen, jemals wieder mit den Muslimanen zusammenzuleben. Interview: Erich Rathfelder

Grude/Bosnien-Herzegowina