Hamburgs Braune Parteien: "Hafenstraße und Karoviertel räumen"
■ Folge 3: Die "Deutsche Volksunion" und die Millionen des Münchner Verlegers Gerhard Frey
„Hamburg muß Deutsch bleiben“, diese Losung hat der DVU-Vorsitzende Gerhard Frey aus der Münchener Parteizentrale für den Hamburger Bürgerschaftswahlkampf ausgegeben. Seit Mai geht auch die rechtsextreme Deutsche Volksunion (DVU) mit ihren Rattenfänger-Parolen auf Stimmenfang in Hamburg. Bei der Bremer Bürgerschaftswahl erzielte die Rechtsaußenpartei 1991 6,2 Prozent der Stimmen (Bremerhaven 10,3 Prozent), bei der Landtagswahl in Schleswig-Holstein im selben Jahr gar 6,3 Prozent.
Eine Ein-Mann-Partei
Obwohl die Gruppierung um den ultrarechten Verleger Gerhard Frey mit rund 700 Mitgliedern die mitgliederstärkste Rechts-Partei in der Hansestadt ist, konzentriert sich alles auf die Münchener Parteizentrale. Denn die hohe Mitgliederzahl in Hamburg kam nur durch einen Satzungstrick von Frey zustande: Die Abonnenten seiner rechtsextremen Hetzblätter „Deutsche Nationalzeitung“ und „Deutscher Anzeiger“ werden automatisch Parteimitglieder.
Nach Einschätzung des Verfassungsschutzes ist die Deutsche Volksunion (DVU) eine absolute Ein-Mann-Partei. So verfügt die Hamburger DVU-Filiale lediglich über eine Postfachanschrift. Der Wahlkampf in der Hansestadt beschränkt sich daher weitgehend auf das Aufstellen von Wahlplakaten – bevorzugt in Arbeiterwohngegenden wie Rothenburgsort – und das Verteilen der Partei-Pamphlete. Massiv überschwemmte die DVU in den vergangenen Wochen die Briefkästen mit rechtsextremer Propaganda, einer schlagwortartigen Kurzfassung ihrer wichtigsten Programmpunkte.
Auf unterstem Boulevard-Niveau verbreitet Frey in den Postwurfsendungen unter dem Motto „Hamburg hat die Wahl: Scheinasylanten oder DVU“ seine politischen Forderungen: „Ausländerwahlrecht? - Nein“, „Scheinasylanten, Kriminelle, Ausländer - Abschieben!“, „Abschaffung der D-Mark durch Altparteien - Protest!“. Geschickt rührt Frey dabei auch noch die Werbetrommel für seine rechtsextremen Postillen „Deutsche Wochen-Zeitung“, „Deutsche National-Zeitung“ und „Deutscher Anzeiger“. Die DVU scheint für den Münchener Verleger ein lukratives Geschäft zu sein: So vermutet der Bonner Publizist Leo A. Müller, daß Frey die Melderegisterauskünfte, die jeder zugelassenen Partei zustehen, auch noch für seinen Verlag nutzt.
Rund zwei Millionen Mark läßt sich Multimillionär Frey den Hamburger Wahlkampf per Postwurfsendung (Aufschrift: „Wichtige Informationen zur Wahl“) kosten. Bevorzugte Themen neben der Hetze auf Flüchtlinge: Die die Korruptheit der politischen Elite, die Räumung der Hafenstraße und die polizeiliche „Säuberung“ anderer Stadtteile. So verkündigt der milchgesichtige Hamburger DVU-Vorsitzende Sven Eggers im Wahlkampfflugblatt: „Im Karolinenviertel, in der Bahnhofsgegend, in der Hafenstraße muß im Sinne des Rechtsstaates endlich aufgeräumt werden“.
Ein weiteres beliebtes Wahlkampfthema der Frey-Truppe ist die ideologische Entsorgung des Nationalsozalismus. „Die DVU sagt: Wir sind stolz darauf, Deutsche zu sein. Wir wollen nicht ewig sühnen und büßen“, heißt es unter anderem in einem Flugblatt mit der Überschrift „Für Hamburg: Die DVU-Trümpfe“. Offen rassistisch setzt sich Frey vehement „gegen die Benachteiligung von Deutschen in Hamburg gegenüber Fremden“ ein und spricht sich für die „Unterstützung Deutscher, die in Not geraten sind“ aus: „Denn deutsches Geld soll hauptsächlich für deutsche Aufgaben eingesetzt werden“.
Kontakte zu Militanten
Noch deutlicher wird er in seinem aktuellen Bundesprogramm: „Deutschland soll deutsch bleiben“, und „Deutschland zuerst“ steht dort zu lesen. Großdeutsche Gebietsansprüche werden „für das Überleben des deutschen Volkes“ als „Friedenssicherung in Europa und der ganzen Welt“ verkauft: „Das Deutsche Volk hat unverändert ein Recht auf die ihm geraubten Gebiete östlich von Oder und Neiße bzw. bezüglich Stettin und Swinemünde westlich der beiden Flüsse sowie das Sudetenland“. Pathetisch behauptet Frey in der Schlußformel, abgeschrieben aus der Eidesformel für bundesdeutsche Parlamentarier: „Unser Ziel ist es, den Nutzen des deutschen Volkes zu mehren und Schaden von ihm zu wenden. Unser ganzes Streben gilt der Durchsetzung von Recht und Freiheit für das deutsche Volk und Vaterland“.
Bereits seit ihrer Gründung 1971 zeichnete sich die Frey-Partei durch ihre freundschaftlichen Kontakte zur militanten Neonazi-Szene aus. In den siebziger Jahren unterstützte Frey mit großzügigen Geldspenden die neofaschistische „Wehrsportgruppe Hoffmann“ und zahlte 1976 für deren Chef eine Geldstrafe in Höhe von 8.000 Mark. Als Gegenleistung schützte die Wehrsportgruppe die Großkundgebungen der DVU. Eine Aufgabe, die heute vornehmlich von rechtsextremen Skinheads übernommen wird.
Auffallend häufig wurde bei den jüngsten Hausdurchsuchungen in der Skinhead-Szene DVU-Propaganda-Material gefunden. Auch in der internationalen Neonazi-Szene ist Frey kein Unbekannter: Zur Gründung der DVU 1971 beglückwünschte ihn unter anderem auch der amerikanische Neonazi Garry Lauck, Chef der dortigen NSDAP/Aufbauorganisation. Enge Kontakte pflegt Frey auch zur neofaschistischen MSI in Italien und zur Nouvelle Droite in Frankreich. Zum engeren Freundeskreis Freys gehört neben Thies Christophersen, Autor des Buches „Auschwitz-Lüge“, auch der englische „Historiker“ und Auschwitz-Leugner David Irving.
Bündnisse mit der NPD
Traditionelle Verflechtungen zur Neonazi-Szene bestehen auch über die zahlreichen Unterorganisationen der Rechtsaußen-Partei und über Bündnisse mit der rechtsextremen NPD. So unterstützte die rechtsextreme „Hamburger Liste Ausländerstop“, in Hamburg deckungsgleich mit der NPD, die DVU tatkräftig bei den letzten Europawahlen. Um seine verschiedenen politischen Ziele zu verfolgen, gründete Frey in den vergangenen Jahren nicht weniger als sieben getarnte Hilfsorganisationen der DVU. Für die Reaktivierung großdeutscher Gebietsansprüche ist etwa die bereits 1962 gegründete „Aktion Oder-Neiße (AKON)“ zuständig, gegen eine „einseitige“ Medien-Berichterstattung agiert die 1980 von Frey ins Leben gerufene „Aktion Deutsches Radio und Fernsehen (ARF)“. Ihr Ziel: mehr „Einfluß“ für die deutsche Rechte in „Rundfunk und Fernsehen“.
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