Kupfergier tötet Fluß

In Papua-Neuguinea sind deutsche Firmen für Öko-Desaster mitverantwortlich  ■ Aus Yogi Christoph Meyer

„Wie können die behaupten, alles sei sicher, wenn wir die Fische, die Gärten und den Wald sterben sehen!“ empört sich jemand von hinten. Bei der Versammlung in einem Buschhaus in Yogi, einem Dorf am Ok-Tedi-Fluß in Papua- Neuguinea, gibt es Sagofladen und süßen Pulvermilchtee. Es ist behaglich hier drinnen. Seit einer Stunde prasselt ein tropischer Regenguß auf das Palmdach. Unter dem Haus auf Stelzen schwelt ein Kochfeuer und räuchert den Raum durch den Lattenfußboden ein.

Doch vor der Tür endet die exotische Gemütlickeit. Einen Steinwurf entfernt strömt der Fluß Ok Tedi durch den Regenwald, vom Regen mit einem grauen Schleier verhangen, als ob er nicht schon grau genug wäre. Denn beide, Fluß und Uferwald, sind tot. Hiervon erzählen die Männer in der Runde. Sie sind vom Volk der Yonggom, und ihr Land stirbt nach und nach, seit die Ok-Tedi-Kupfer- und Goldmine am Oberlauf des Ok- Tedi-Flusses im Gebirge dicht an der indonesischen Grenze ihren Betrieb aufnahm. Im Tagebau wird der Mount Fubilan samt den Nebengipfeln abgetragen. 1984 wurde erst Gold gewonnen, seit 1988 ein Kupfer-Gold-Silber-Konzentrat. Das Erz wird zermahlen und das Konzentrat chemisch ausgefällt – der Rest kommt in den Fluß.

Jeden Tag gelangen mindestens 150.000 Tonnen Extraktionsrückstände und Abraum in den Fluß, so schätzen die Minenbetreiber selbst. Das entspricht zwei bis drei Lastwagenladungen Brechsand und Gestein pro Minute, rund um die Uhr. Die Rückstände sind mit Schwermetallen belastet: Erhebliche Mengen von Kupfer, Blei, Zink, Arsen und Cadmium wurden gemessen. Umweltschutzmaßnahmen gibt es nicht.

„Bevor die Mine kam, war das Leben hier wie im Paradies“, erzählt ein Mann aus dem Nachbardorf. Was man zum Leben brauchte, gab es im Überfluß. Die fruchtbaren Niederungen am Ok- Tedi-Fluß bedeuteten dauerhaft ertragbringende Gärten, es gab genug Fische, Krebse und Krokodile im Fluß, ausreichend Vögel, Rotwild und Baumkänguruhs im Wald. Doch jetzt? Seit die Mine ihre Abfälle einleitet, füllt sich in der Ebene das Flußbett auf. Bei den jährlichen Hochwassern ergießt sich der Fluß wie eine graue Soße in die umliegenden Wälder, Sümpfe und Gärten und läßt meterdicke Schichten zurück. Jahr für Jahr wird es mehr.

„Rohstoffsicherung für die deutschen Hüttenwerke“ – dies war 1978 das Ziel der fünfprozentigen bundeseigenen DEG-Beteiligung am Projekt Ok Tedi. Weitere 15 Prozent der Anteile teilen sich Degussa und Metallgesellschaft.

Für den Bau der 173 Kilometer langen Zufahrtstraße wurden Entwicklungshilfegelder beigesteuert. Für einen Rückhaltedamm, der die giftigen Sedimente zum größten Teil aus dem Fluß hätte heraushalten können, hat das Geld jedoch nicht gereicht. Nach einem gescheiterten Konstruktionsversuch und ein wenig Überredung seitens der Betreiber verzichtete der Staat Papua-Neuguinea ganz auf den Umweltschutz und akzeptierte den vorgeschlagenen Grenzwert für die Wasserbelastung. Nun wird die Wasserqualität ständig gemessen – von der Minengesellschaft.

Den deutschen Anteilseignern wird heute ihr Engagement an der Kupfermine deutlich unangenehm. Wirtschaftlich rentabel war die Mine von Anfang an kaum – schuld daran sind die unerwartet gesunkenen Rohstoffpreise. Trotzdem läuft die Mine nach wie vor auf Hochtouren. Die Hälfte des gewonnenen Goldes und ein beträchtlicher Teil des Kupfers sind in der Bundesrepublik gelandet.

Seit 1991 kommt der Ärger mit Umweltschützern und Kirchen hinzu. Letztere finanzierten eine unabhängige Studie und veranstalteten ein offenes Gespräch, das zum Tribunal für die Minenbetreiber wurde. Das Internationale Wassertribunal in Amsterdam befand die Betreibergesellschaft der unverantwortlichen Wasserverseuchung schuldig. Ok-Tedi-Anrainer tourten in die Bundesrepublik. Im Januar forderte der Bundestag die Regierung auf, bei den deutschen Anteilseignern auf Umweltschutz und Entschädigung für die Flußbewohner zu dringen. Die Ok-Tedi-Anwohner bitten um Geld für einen Prozeß.

Aber viel Land ist in jedem Fall für lange Jahre verloren. „Dies war unser alter Garten, 1986 haben wir ihn aufgeben müssen“, sagt ein Mann, der auf einer grauen Sandbank steht, aus der kahle Stämme ragen. Weiter entfernt würden neue Gärten in den Wald geschlagen. Doch die schlechten Böden dort seien nach einem halben Jahr verbraucht, neuer Wald müsse gerodet werden. Wenn alle Bäume verschwunden sind, haben die Völker am Fluß keine Lebensgrundlage mehr.

Beim Einsteigen in einen Einbaum versinkt man bis über die Knöchel im Schlamm. Hinter dem Boot gurgelt das graue Wasser. Dann röhrt der Motor, es schäumt eisgrau auf, und Baumgerippe, Palmstümpfe und die toten Spinnfäden von Lianen ziehen vorbei.