Pasquas neues Ausländergesetz zensiert

■ Französischer Verfassungsrat lehnt acht von 51 Punkten ab / Asylbewerber, die in anderen EG-Ländern abgewiesen wurden, dürfen neuen Antrag stellen

Paris (taz) – Frankreichs Innenminister Charles Pasqua ist genervt: Es paßt ihm nicht, daß der französische Verfassungsrat sein Gesetz zur Verringerung der Einwanderung beschnitten hat. Die neun RichterInnen erklärten am Freitag, daß das im Juli verabschiedete Gesetz in acht von insgesamt 51 Punkten verfassungswidrig ist. In den großen Linien wurde der Text jedoch gebilligt. Trotzdem machte Pasqua im Fernsehen gegen das jüngste Urteil Stimmung und erklärte, die Richter gingen zuweit: „Die Argumente des Verfassungsrates haben mich absolut nicht überzeugt“, sagte er; die Mitglieder des Verfassungsrats verfolgten politische Ziele.

Die Richter urteilten, daß einige der Schikanen, die das Leben der AusländerInnen in Frankreich erschweren sollen, den Menschenrechtsprinzipien der französischen Verfassung widersprechen. Verfassungswidrig ist, daß ausländische StudentInnen ihre Ehepartner und Kinder nicht ins Land holen dürften. Die rechte Parlamentsmehrheit hatte sich zudem in großer Mehrheit darauf geeinigt, daß ein Ausländer nach einer Scheidung seinen neuen Ehepartner zwei Jahre lang nicht nach Frankreich holen dürfte. Dies widerspreche dem Grundrecht auf Familienzusammenführung, erklärten die Richter.

Das Gesetz sah weiterhin vor, daß ein Bürgermeister bei Verdacht auf eine Scheinehe zwischen einem Franzosen und einem Ausländer die Justiz anrufen und die Heirat auf diese Weise um drei Monate verschieben könnte, was auch schon mehrfach geschehen ist. So wollten einige äußerst rechts stehende Abgeordnete hintenrum die Möglichkeit schaffen, die Ehe zwischen Ausländern ohne gültige Aufenthaltspapiere und Franzosen ganz zu verhindern: Innerhalb der Frist hätte der „illegale“ Ausländer kurzerhand abgeschoben werden können. Der Verfassungsrat annullierte diese Regelung unter dem Hinweis, daß die freie Wahl des Ehepartners zu den individuellen Freiheiten gehört.

Auch in Sachen Asylrecht ist das Parlament zuweit gegangen: Anders als im Gesetz vorgesehen, darf der Präfekt Asylbegehren nicht als „unbegründet“ ablehnen. Hingegen hat jeder Asylbewerber das Recht, seinen Antrag bei der zuständigen Behörde (OFPRA) vorzulegen. Dieses Recht besteht auch dann fort, wenn der Ausländer bereits in einem anderen EG- Land abgelehnt worden ist.

Trotz dieser Einschränkungen ist das Urteil sehr zurückhaltend und läßt dem Gesetzgeber weitgehend freie Hand. Äußerst behutsam hatte der Verfassungsrat auch über ein anderes Pasqua-Gesetz zur Verschärfung der Personenkontrollen geurteilt. Dabei hatte Pasqua ebenfalls die AusländerInnen zur Zielscheibe gemacht. Es sieht vor, daß „die Identität einer jeden Person kontrolliert werden kann, um einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung vorzubeugen“. Damit braucht es für Kontrollen und Razzien keinen konkreten Verdacht mehr. Im Klartext: Die Polizei hat freie Hand bei der Suche nach AusländerInnen ohne gültige Papiere. Anfang August billigten die neun Weisen das Gesetz und warnten lediglich vor einer exzessiven Anwendung: Es würde der individuellen Freiheit widersprechen, wenn die Kontrollen „verallgemeinert und dem freien Ermessen überlassen“ würden. An der Praxis ändert dieses nichts, wie auch die Reaktion der äußerst rechts stehenden Richtergewerkschaft APM beweist: Sie forderte dazu auf, diesen „Interpretations-Einschränkungen“ nicht Rechnung zu tragen.

Pasqua erklärte jetzt im Fernsehen, er habe – im Gegensatz zu den Verfassungsrichtern – die „großen republikanischen Prinzipien“ im Auge. Darunter versteht er „das Recht, für Frankreich die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, um das Land vor den Migrationsströmen zu schützen“. Andernfalls werde eine Situation entstehen, die das Volk nicht akzeptieren werde. Pasqua selbst trägt kräftig dazu bei, eine solche Stimmung zu schüren. Bettina Kaps