„Heilige Zensur, leite mich an Deiner Hand“

■ Karikaturen in Hamburg um 1848: „ ...Und das nennen Sie eine Republik?!!!“

„Daß es uns Deutschen nicht an ächtem Witze und scherzhaftem Salze fehle“, mußte schon vor fast 200 Jahren besonders unter Beweis gestellt werden, damit es überhaupt jemand glaubte. Den Beweis der Existenz hanseatischen Humors anzutreten, wurde 1801 die Zeitschrift „Hamburger Carricaturen“ gegründet. Aber die Herren Karikaturisten hatten den Schalk im Nacken zumindest der Hamburger Leserschaft reichlich überschätzt, denn bereits nach drei Ausgaben wurde die Zeitschrift wieder eingestellt. Erst im Vorfeld der bürgerlichen Revolution 1848 widmeten sich in Hamburg wieder Zeitschriften den „Spottbildern“. Das Bildungsbürgertum verlangte nach politische Karikaturen, und diese hat die Kunsthistorikerin Ute Harms in dem Buch der ...Und das nennen Sie eine Republik?!! untersucht.

Vor den revolutionären Ereignissen wurden Karikaturen noch als Flugblätter vertrieben und konzentrierten sich auf lokale Klatschthemen. Sie führten ehrbare Bürger, feiste Pfeffersäcke und schlitzäugige Halunken vor, wie zum Beispiel den Gastwirt Baetke: Er hatte zu einem Eselswettrennen in Eimsbüttel eingeladen und damit viel Publikum angelockt, das ein hohes Eintrittsgeld zahlte. Als Baetke verkündete, die erwarteten Esel seien die Zuschauer selbst, zerstörte die wütende Menge die Festzelte und Tribünen. Baetke aber konnte mit der Kasse fliehen.

Wurde das Privatleben bekannterer Persönlichkeiten aufs Korn genommen, galt es damals noch dezent zu sein. Es kam schon mal vor, daß der Verfasser zu einigen Wochen Gefängnis verurteilt wurde: Die „Bekanntmachung wider die Spottbilder“ von 1835 hielt fest, daß von „müssigen oder böswilligen Personen ersonnene Gerüchte“ verfolgt und die Bilder „confiscirt“ werden, „wenn dergleichen Bilder etwas Anstößiges enthalten“.

Im Vorfeld der 48er Revolution wurden der Charakter der Karikaturen politischer. 1847 wurde das Satireblatt mit dem teuflischen Namen „Mephistopheles“ gegründet, die gleich auf dem Titelblatt ihr größstes Problem gleich einem Motto nennt: „Süße, heilige Zensur/ Laß mich gehen auf Deiner Spur/ Leite mich an Deiner Hand/ Wie ein Kind am Gängelband“.

Bis Revolution und Reform 1848 eine kurzzeitige Milderung der Zensur bewirkten, mußten die Aufsichtsbehörden und vorgeblichen Anstandswahrer überlistet werden. Die folglich eher subtilen politischen Witze und versteckten Anspielungen sind heute nicht mehr ohne weiteres verständlich, werden aber im Text erklärt. 1848 wurde der „Mephistopheles“ schon deutlicher und erklärte, er wolle „auf dem Wege der Satire gegen Dummheit, Anmaßung und Lüge“ ankämpfen, und sich zu einem freisinnigen, fortschrittlichen Blatt erklären. Er prangerte reaktionäre Politik an und forderte demokratische Rechte.

Die überspitzten, komischen Bilder sagen oft mehr über den damaligen Zeitgeist aus als langatmige historische Darstellungen. Scheinbar nebenbei erfährt der Leser von den Hoffnungen, die die damaligen demokratischen Kräfte in die „Revolution“ setzten, die im Nachhinein gar keine war. Obwohl das Buch ursprünglich als Dissertation für den Wissenschaftsbetrieb bestimmmt war, weckt es durch die gut erklärten, amüsanten Darstellungen Interesse an den demokratischen Gehversuchen Hamburgs. Das bringt Hobby-Historiker und auch die nur nach dem „scherzhaften Salze“ Schielenden schmunzeln. Birgit Maß

Ute Harms, „...Und das nennen Sie eine Republik?!!...“, 1993, Lit. Verlag, 400 Seiten, 270 Abb., 68,80 Mark