Verrückt nach Film

■ Das Projekt „Radio Parkstraße“, wie es an seinem neuen Film „Die Erbschaft“ bastelt / Heute abend Premiere

Einmal bitte „Du kannst nicht immer siebzehn sein“. Mindestens einmal. Schließlich ist es Jürgen Dibberns Lieblingssong. Ein Film ohne „Du kannst nicht immer siebzehn sein“ ist doch kein Film, erst recht keiner von Radio Parkstraße! Filmemacher Jürgen Dibbern sorgt da schon für Tradition.

Zu viert nebeneinander sitzen sie auf ihren Stühlen vor dem Bildschirm, die Leute von Radio Parkstraße, und suchen die Musik zu ihrem neuen Streifen aus: Fertig abgedreht und geschnitten, braucht „Die Erbschaft“ jetzt nur noch die musikalische passende Untermalung. Der Rest des Teams bastelt im Nebenraum an den Eintrittskarten für die heutige Film-Premiere.

Jürgen Dibbern war früher Tischler im Martinshof. Heute ist er Öffentlichkeitsreferent - und Schauspieler. Wie alle Mitglieder von Radio Parkstraße. Acht von ihnen waren außerdem mal Blankenburger Psychiatrie- PatientInnen. Im Film-Team arbeiten sie mit vier nichtbehinderten BetreuerInnen zusammen, entwickeln Drehbücher, produzieren sie, machen Kamera, Ton und Schnitt, führen Regie, alles im Kollektiv.

Die Party-Szene wird eingespielt: Priscilla Presley und Elisabeth von Blumenstrauß geben sich auf Schloß Etelsen bei Achim die Ehre. Großer Empfang der Diner-Gesellschaft. Jens Fischer erklärt wild gestikulierend: „Das ist Admiral Lomonow!“ Die FilmemacherInnen vor dem Fernseher applaudieren und winken. Majestätisch schreitet der Admiral in den Ballsaal.

Sein Darsteller Ludwig Krummwiede zeigt auf die weiße, goldverzierte Uniform.

Das Filmemacher-Kollektiv bei der kritischen Endabnahme: die „Radio Parkstraße"-Kreativen Annemarie Uhlhorn, Jürgen Dibbern, Ludwig Krummwiede und Jens Fischer, gebannt im Lichte des eigenen Werks.Foto: Tristan Vankann

Sie hängt ganz vorne an einem der überladenen Kostümständer im „Studio“, einem winzigen, kühlen Kellerraum im Haus der Diakonie in der Blumenthalstraße — der Arbeitsplatz für die zehnköpfige Filmcrew des „Erbschafts"-Unternehmens. Nur die allernotwendigsten Geräte sind hier zusammengetragen. Ein Keyboard, eine Hifi-Anlage, Videorecorder und eine einfa

hier die vier TV-Gucker

che Kamera (für eine behindertengerechte fehlt das Geld) füllen die Längswand.

Drumherum liegen ein paar Koffer voller Requisiten, drei Spiegel, zwei Stoffpuppen,die an ganz andere Welten erinnern. Wie die Plakate. „Frau Blumenthal ist nicht verrückt“, meint ein roter Schriftzug auf gelbem Papier. „Herr Köster ist verrückt, Frau Spradau ist überkandidelt“

steht klein darunter — beide betreuen das Radio-Projekt.

Nach wenigen Minuten sind alle wieder mitten im Film, erkennen sich und geben aufgeregt gestikulierend ihre Kommentare ab. Jetzt fehlt nur noch der zündende Sound für die Szene an Bushaltestelle. Die BetreuerInnen legen Kassetten ein und spielen Musikbeispiele vor. Cutter und Schauspieler Jens Fischer,

der gerade zum dritten Mal die ganze Filmstory erzählt, sagt im selben Atemzug und beinahe überhörbar „Elvis Presley“. Applaus. Die Vorbereitung für die letzte, nächtliche Schneideaktion im Offenen Kanal ist damit so gut wie abgeschlossen.

Wo „Du kannst nicht immer Siebzehn sein“ im Film versteckt ist, hat Jürgen Dibbern nicht verraten. Silvia Plahl