■ Senat im olympischen Beißkrampf
: Welcome Mr. Samaranch

Am vergangenen Wochenende hätte der Senat dem IOC-Chef auf dem „Boulevard Olympique“ wenigstens noch feiernde Menschen auf dem Kurfürstendamm präsentieren können, auch wenn die wenigsten BesucherInnen dort wohl Olympia im Kopf hatten. Der gestrige Besuch zeigt dagegen, daß es dem Senat darauf nicht ankommt. Die Visite entlarvt die Olympia-Bewerbung erneut als reine Machtdemonstration, als ein Projekt gegen die Stadt, bei dem die Bewohner nur stören. Die Stadt wurde abgeriegelt, die Menschen weggesperrt und der oberste Herr der Ringe vor der Bevölkerung versteckt, deren angebliche Begeisterung für das olympische Spektakel der Senat in suggestiven Umfragen doch beständig erfragt wurde. Zurückgeschreckt ist die Olympia GmbH auch nicht davor, jede kritische Presse auszusperren, nur um dem Alt-Faschisten Samaranch das Schauspiel einer widerspruchslosen Harmonie vorführen zu können. Der Senat hat zudem ein Überfliegerprogramm dargeboten, das weit über der Stadt mit ihren drängenden Problemen und Befindlichkeiten der Menschen schwebt: Potemkin auf moderne Art.

Verdrängt wird vom Senat, daß die Stadt genug damit zu tun hat, zusammenzuwachsen, Regierungssitz zu werden und eine neue und menschenverträgliche Metropole zu gestalten. Das ist eine wahrhafte olympische Aufgabe, die für viele Jahre alle Kräfte und Finanzen binden wird. Die zweiwöchige sportliche Monsterschau Olympia, bei der nur der zweifelhafte Sportkonzern IOC Profit macht, ist dagegen kein Zukunftsziel. Das absurde Besuchsschauspiel zeigt deshalb einen Senat, der an „Olympia 2000“ wie in einem Beißkrampf festhält – komme was wolle. Doch wer den Gast quasi im Panzerschrank durch die Stadt transportiert, wird kaum sein Ziel erreichen, für diesen Austragungsort zu werben. So dumm kann selbst der Franco-Fan Samaranch nicht sein, als daß bei ihm nicht nach diesem Besuch alle Alarmglocken läuten werden. So entlarvt der Senat mit seiner Regie ungewollt, wie es wirklich in der Stadt aussieht. In diesem Sinne: Welcome, Mr. Samaranch – und good bye. Gerd Nowakowski