Kroatische Propaganda in Wien

■ Warum verbreiten westliche Medien Falschinformationen?

Wien (taz) – Auch westliche Medien fallen auf die Propaganda der ex-jugoslawischen Kriegsparteien herein. Zuletzt erwischte es den Wiener Standard, der einem kroatischen Journalisten traute, als dieser letzte Woche ein angeblich sensationelles Interview mit dem bosnischen Serbenführer Radovan Karadžić anbot. Darin erklärt der bosnische Serbenchef, er werden im Falle eines westlichen Militärschlag Atomwaffen einsetzten.

In Wien wußte wohl niemand, daß der Autor des Interviews, Baron-Brljević, eine einschlägig bekannte Figur im ehemaligen Jugoslawien ist. Spezialität des Zagrebers ist es, Schauermärchen und Halbwahrheiten immer so zu dosieren, daß sie dem kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman nützen. In den letzen Jahren zog Brljević mehrmals gegen „faschistische Mudschaheddinkämpfer“ in Bosnien, verunglimpfte Pazifisten, beschimpfte kroatische Feministinnen als „Verräter“.

Im Frühjahr nahm er sich damaligen Vizepräsidenten des Ungarischen Demokratischen Forums, Istvan Csurka, vor, den er unter anderem sagen ließ, die Budapester Regierung würde sich gerne die zu Serbien gehörende, größtenteils ungarisch besiedelte Vojvodina „zurückholen“. Vom sofortigen Budapester Dementi zeigte sich der Sensationsschreiberling der Zagreber Wochenzeitung Globus unbeeindruckt.

Warum glaubt der Standard, daß Brljević nach dem angeblichen Karadžić-Interview Mitte letzter Woche von serbischen Freischärlern in Zagreb (!) entführt und daß dabei die Originaltonbänder des Gespräches vernichtet wurden? Warum stellt sich auch die FAZ hinter ihren Zagreber Mitarbeiter? Der Grund könnte sein, daß die Redakteure der großen Zeitungen sich scheuen, selbst ins Kriegsgebiet zu fahren – und daher zweifelhaften Gestalten die Berichterstattung anvertrauen. Brljević dagegen wagt sich regelmäßig an die Front – mit einseitiger Propaganda im Rückgepäck. Karl Gersuny