■ Mit Propagandastudien auf du und du
: Gatt für alle

Genf (taz) – Wenn die Regierungen nicht so spuren, wie der Herr Gatt-Generaldirektor es will, dann müssen die Massen zum Druck auf ihre Oberen mobilisiert werden. So dachte wohl Peter Sutherland und ließ die Ökonomen im Genfer Hauptquartier des „Allgemeinen Zoll- und Handelsabkommens“ ausrechnen, wieviel vor allem ärmeren Verbraucherschichten angeblich bezahlen müssen, weil die Regierungen sich immer noch nicht über die völlige Liberalisierung des Welthandels geeinigt haben.

Einige Beispiele in der gestern veröffentlichten Studie sind sofort einsichtig: so kosteten die Milliardeninvestitionen, mit denen die EG-Regierungen die Landwirtschaft subventioniern, die KonsumentInnen in der Zwölfergemeinschaft 1992 pro Kopf 450 US-Dollar (765 Mark). Auch in den USA, die ja innerhalb der Gatt-Verhandlungen die EG massiv zu Subventionsabbau und Importerleichterungen drängen, waren es immerhin 360 Dollar. Daß EG-BürgerInnen im letzten Jahr für Unterhaltungselektronik aus asiatischen Ländern wegen „freiwilliger“ Exportbeschränkugnen dieser Staaten, hoher EG-Einfuhrzölle sowie diverser Anti-Dumpingmaßnahmen insgesamt 1,3 Milliarden Dollar mehr ausgaben als ohne diese Maßnahmen, leuchtet auch noch ein.

Schwerer nachzuvollziehen ist Sutherlands Argumentation, wonach viele Billiglohnländer wegen der geltenden Textilquoten zunehmend höhere Qualitäten und damit teurere Produkte auf den Weltmarkt brächten. Dies wirke sich besonders nachteilig auf ärmere und kinderreiche Familien aus. Dies paßt so gar nicht zu den anhaltenden Klagen westlicher Industriestaaten über zunehmende Textil-Billigimporte aus China und anderen asiatischen Staaten.

Die vordergründige Argumentation wird sicherlich ihre Wirkung auf viele VerbraucherInnen nicht verfehlen. Doch greift diese Fixierung auf Verbraucherpreise zu kurz. Den triftigen Einwand, daß sich mit protektionistischen Maßnahmen auch heimische Arbeitsplätze und damit Einkommen und Kaufkraft sichern lassen, wischt Sutherland schlicht als falsch beiseite. Auch die Befürchtung, daß es bei einer völligen Liberalisierung des Handels in vielen Ländern auch zur Deregulierung von Sicherheits-und Gesundheitsstandards in der Industrie und damit zu volkswirtschaftlichen Folgekosten kommt, läßt er nicht gelten. Die Gatt-Studie geht schließlich überhaupt nicht ein auf die seit Einführung des EG-Binnenmarktes nachweisbare Tatsache, daß liberalisierter und damit vermehrter Handel zu einem Anstieg von Transportverkehr führt – und damit zu erhöhter Umweltbelastung. Deren Kosten, sei es nun für Umweltschutzmaßnahmen oder steigende Gesundheitskosten, haben letzten Endes auch wieder die VerbraucherInnen zu zahlen. Andreas Zumach