: Der teure Zorn der Bauern
Die EG läßt 10 Prozent der Obsternte vernichten / Die Rechnung zahlen die Verbraucher / Großhändler profitieren am meisten ■ Von Alois Berger
Berlin (taz) – Auf Europas Müllhalden gärt es wieder. Über vielen Obstanbaugebieten hängt der süßliche Geruch von faulenden Pfirsichen, modernden Äpfeln, verdorbenen Birnen. Allein in Frankreichs größtem Anbaugebiet, dem Departement Pyrénées Orientales im Südwesten, werden die Erzeugerorganisationen im Auftrag der Europäischen Gemeinschaft insgesamt rund 10.000 Tonnen Obst der oberen Güteklasse auf den Müll kippen. Wieviel in Deutschland vom Markt genommen wird – wie es in den EG- Umschreibungen so schön heißt – ist noch offen. Das Bonner Landwirtschaftsministerium verweist darauf, daß die Apfelernte gerade erst anfängt, und in Deutschland sind es vorwiegend Äpfel, die vernichtet werden.
Für jedes Kilo, das weggeworfen wird, bekommen die Bauern rund 40 Pfennig. Das ist gerade mal ein Drittel von dem, was sie sonst dafür einnehmen.
In diesem Jahr werden etwa 10 Prozent der Obsternte planmäßig vernichtet. Die EG will damit die Erzeugerpreise stützen. Denn wenn zuviel Obst auf dem Markt ist, fallen die Preise. Die Bauern können bei der EG beantragen, einen Teil der Ernte gegen Entschädigung vom Markt nehmen zu dürfen. Das Bonner Landwirtschaftsministerium empfiehlt, das Obst an Jugendvollzugsanstalten zu spenden oder an Wild zu verfüttern. Aber meistens wird es doch zu Abfall.
Gerade weil die EG das Obst lieber wegwerfen als einlagern läßt, wie sie das bei Butter, Fleisch und Getreide macht, gehören Obst und Gemüse zu den eher kostengünstigen Bereichen der gemeinsamen Agrarpolitik. Denn die Lagerhaltung ist einer der teuersten Posten der EG, ohne daß die Bauern von dem Geld etwas haben.
Die Rechnung für die Obstvernichtung zahlen vor allem die Verbraucher. Ohne die künstliche Verknappung des Angebots wären viele Produkte wesentlich billiger. Doch die EG hat sich nun einmal darauf eingelassen, den Bauern ein geregeltes Einkommen zuzusichern – mit zweifelhaftem Erfolg. Denn von den hohen Marktpreisen profitieren vor allem die Groß- und Zwischenhändler. Sie haben in den letzten Jahren den größten Teil aller EG-Preissubventionen abgefischt. Beim Obst etwa bekommen die Erzeuger im besten Fall ein Drittel von dem, was im Laden gezahlt wird. Nur wenn Interventionspreise reduziert oder Zuschüsse gekürzt werden, dann reichen die Händler die Preiseinbrüche ohne Abstriche an die Erzeuger weiter, um die EG dem Bauernzorn auszusetzen.
Hauptvorwurf ist dann immer, die EG fördere sogenannte Billigimporte, vor allem aus den ost- und mitteleuropäischen Ländern. Das Mißverständnis rührt möglicherweise daher, daß die EG den neuen Demokratien versprochen hat, sie über verstärkten Handel zu fördern. Und jeder weiß, daß etwa Polen oder Ungarn in erster Linie landwirtschaftliche Produkte zu bieten haben. Aber bisher blieb es beim leeren Versprechen: auf jeden polnischen Apfel berechnet die EG soviel Zoll, bis er ungefähr so viel kostet wie ein Apfel aus Südfrankreich. Umgekehrt werden EG-Äpfel, die nach Polen verkauft werden, von Brüssel auf polnische Preise heruntersubventioniert. Das leicht mobilisierbare ländliche Protestpotential sorgt dafür, daß sich daran nichts ändert.
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