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Der Rattenjäger

■ Robert W. Kempner, einer der wenigen republikanischen Juristen vor 1933 und nach 1945 Ankläger bei den Nürnberger Prozessen, starb 93jährig am Sonntag in Frankfurt

Berlin (taz) – 1931 hatte Robert W. Kempner, damals 32jährig und Justitiar der Polizeiabteilung im preußischen Ministerium des Inneren, eine glänzende Idee: er forderte, Adolf Hitler wegen Vorbereitung zum Hochverrat und wegen Meineids unter Anklage zu stellen, die NSDAP aufzulösen und den Führer als „lästigen Ausländer“ in sein Geburtsland abzuschieben. Kempners Ratschlag wurde von der sozialdemokratischen Regierung Preußens in den Wind geschlagen, ein Jahr später sahen sich die biederen SPDler Braun und Servering aus dem Amt geputscht. 1933 war es dem neuen preußischen Ministerpräsidenten Göring eine persönliche Genugtung, Kempner zu entlassen. Bis 1935 hielt er sich in Deutschland als Berater jüdischer Auswanderer noch über Wasser, dann emigrierte er selbst über Italien und Frankreich in die USA. Die Nazis zeichneten ihn 1938 durch den Entzug der Staatsbürgerschaft aus.

Kempner setzte in den USA als Regierungsberater seinen Kampf gegen die Nazis fort. 1945 war er führend an dem bisher einzigen Versuch beteiligt, verbrecherische Politiker vor ein internationales Tribunal zu bringen. Als Stellvertreter des amerikanischen Hauptanklägers Jackson war er in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen Ankläger des Nazi-Innenministers Frick. Seit 1947 war er Hauptankläger im „Wilhelmstraßenprozeß“, in dem sich die führenden Diplomaten des Dritten Reiches, unter anderem wegen ihrer Mitwirkung an der „Endlösung“ der Judenfrage, zu verantworten hatten. Auf der Verteidigerbank saß ihm Richard von Weizsäcker gegenüber – als Rechtsbeistand seines Vaters. Keiner der damals Verurteilten hat seine Strafe abgesessen. Dafür sorgte der Kalte Krieg und der mit ihm verbundene Kurswechsel der USA gegenüber Kriegsverbrecherprozessen. Robert Kempner hat dieses konjunkturelle Umgehen mit der Justiz weder verstanden noch gebilligt. Er sah sich als Rattenjäger; für ihn waren mildere Urteile höchstens für diejenigen angebracht, die die unwissend-barbarischen Exekutoren ihrer Meister waren. Kempners lebenslange Hoffnung, aus der Praxis der Nürnberger Prozesse werde sich ein tragfähiges Völkerrecht entwickeln, hat ebenso getrogen wie die, wenigstens einige der Ober-Ratten zur Strecke zu bringen. Aber Globke, Carl Schmitt und viele andere der furchtbaren Juristen haben geruhsam ihre Rente verzehrt. Nicht so Kempner. In den 40 Jahren, die ihm noch blieben, trat er als Anwalt und Publizist unversöhnt und unversöhnlich für die Opfer ein. Jetzt ist er, mit vielen Beruhigungsorden ausgestattet, 93jährig gestorben. C.S.

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