Millionen für Hertie-Quarree

■ Senat will Investor mit Geld und Grundstück entschädigen / Bau des Konsumtempels jetzt möglich / Weniger Wohnungen    Von Uli Exner

Nun aber hurtig. Im allerletzten Moment der vorzeitig ablaufenden Legislaturperiode möchte der Senat noch ein Problem lösen. Nach dem Willen der Stadtregierung soll die Bürgerschaft in der Sondersitzung am kommenden Mittwoch ihre Zustimmung zu einer „abschließenden Regelung der Auseinandersetzung um die Bebauung des ehemaligen jüdischen Friedhofs in Ottensen“ geben.

Hinter der umständlichen Formulierung verstecken sich weitgehende Zugeständnisse an den Investor Büll + Dr. Liedtke für den Bau des sogenannten Hertie-Quarrees. Das Unternehmen hatte seine ursprünglichen Pläne für das Einkaufszentrum nach dem massiven Protest orthodoxer Juden und auf Veranlassung des Senats geändert. Für dieses Entgegenkommen hatte Büll + Liedtke von der Stadt zunächst 33 Millionen Mark gefordert, um die entstandenen Mehrkosten ausgleichen zu können.

Ganz so viel ist es nicht geworden, nach langwierigen Verhandlungen will sich das Unternehmen mit 16,5 Millionen Mark zufriedengeben, wie Senator Thomas Mirow gestern vorrechnete: 11,1 Millionen Mark erhalten die Quarree-Bauer in Form einer Preisvergünstigung beim Kauf eines anderen attraktiven städtischen Grundstücks an der Großen Elbstraße. Dort am Elbufer darf nun Büll+ Liedtke ran, wenn die Bürgerschaft zustimmt. Was dort genau gebaut werden soll, steht nach Angaben Mirows noch nicht fest.

Dem Unternehmen sollen außerdem für den Bau des Einkaufszentrums in der Ottenser Hauptstraße Gebühren in Höhe von 5,2 Millionen Mark erlassen werden. Diese Zugeständnisse, so beeilte sich Mirow zu versichern, würden natürlich nur gemacht, wenn Büll+Liedtke „seinen Schaden gegenüber der Stadt schlüssig und detailliert nachweisen“ könne.

Weitere Folge des Kompromisses zwischen „öffentlichen und privatwirtschaftlichen Interessen“: Statt der ursprünglich vorgesehenen 80 Wohnungen sollen jetzt nur noch 41 in das Einkaufszentrum integriert werden. Grund: Da die Einigung mit den Vertretern der orthodoxen Juden einen Verzicht auf Grabungen auf dem Friedhofsgelände und damit auf eine Tiefgarage beinhaltet, wird Parkraum nun im Obergeschoß und auf dem Dach gebaut – anstelle der Wohnungen.

Das weitgehende Entgegenkommen der Stadt rechtfertigte Mirow mit dem Wunsch der Stadtregierung, den Konflikt endlich beizulegen: „Die Auseinandersetzungen um den Friedhof waren für unsere Stadt ein schmerzlicher Vorgang“. Würde die Bürgerschaft dem Senatsvorschlag nicht zustimmen, so erläuterte der Voscherau-Adjudant, hätte dies zur Folge, daß das Hertie-Quarree erstens nicht gebaut und daß zweitens Büll+Liedtke wegen des enstandenen Verlusts gegen die Stadt prozessieren würde. Beides möchte der Senat verhindern, „weil Ottensen mit diesem Schwebezustand nicht leben“ könne.

Aus der Bürgerschaft, die sich nach der erfolgreichen Wahlanfechtung weitestgehende Entscheidungszurückhaltung auferlegt hatte, war gestern nur Zustimmung zu den Senatsplänen zu hören. Selbst die GAL, einst Vorkämpferin gegen den Ottenser „Konsumtempel“, kritisierte die Senatspläne nicht. Die Partei, so Pressesprecherin Kerstin Domscheit staatstragend, werde sich erst bei der Bürgerschaftssitzung zu dem Thema äußern.