■ Press-Schlag
: Glänzen für Olympia

750.000 Mark überwiesen die Berliner Olympiabewerber nach Stuttgart, damit das WM- Organisationskomitee unter Messechef Rainer Vögele das tue, was die Olympia GmbH in Stuttgart offiziell nicht darf: um die IOC-Fürsten und ihre Gattinnen werben. Gewiß, es war ihnen schon peinlich, daß die Summe bekannt wurde. Doch sei's drum, die Crew um Geschäftsführer Axel Nawrocki weiß sehr wohl, daß sie mit ihrem Infotisch im „Maritim“, zwei auf einen Meter groß – mehr lassen die IOC-Statuten nicht zu –, keinen der verwöhnten Entscheidungsträger überzeugen kann. Ein Gewinnspiel konnten sie ins Programmheft rücken, Fahnen und Plakate in der Stadt aufhängen, 160 Jubelkinder, mit Bären-Hemden und -Kappen verkleidet, ins Stadion einschleusen. Aber vielmehr geht nicht bei dieser Generalprobe für Olympia. Das hat das IOC verboten, um der Flut der Gastgeschenke an seine Mitglieder Herr zu werden. Getreu Nawrockis Auftrag („Stuttgart wird glänzen und das IOC beeindrucken“) betreiben die Schwaben nun akribische Stellvertreterpolitik.

Angesetzt wird ganz oben, und das heißt im Falle der Leichtathletik, bei Primo Nebiolo, dem Präsidenten des Internationalen Leichtathletikverbandes (IAAF). Wobei es sich gut trifft, daß der Herr über 204 Mitgliedsländer auch noch im IOC sitzt und Vorsitzender der Olympischen Sommersportverbände ist. Wer Nebiolo hat, der hat ein ganzes Stimmenpaket. Entsprechend ist die Wertschätzung. Im Gottlieb- Daimler-Stadion sitzt Nebiolo in der mit rotem Velours ausgeschlagenen „Royal Box“. Ein 600 SEL steht rund um die Uhr zur Verfügung, dazu Chauffeur und Hosteß, falls die Gattin einkaufen will. „Er ist nun mal Staatspräsidenten-Niveau gewöhnt“, sagt Vögele, schon glücklich darüber, daß der kleine Italiener mit der Reibeisenstimme eines Adriano Celentano auf die Motorradstaffel der Polizei verzichtet.

Sie tun wirklich das menschenmögliche, die Schwaben. Lange haben sie darüber nachgedacht, ob sie dem Präsidenten nicht eine Ehrenprofessur des Landes anbieten sollten. Sehr wohlgefällig ist bei der Berliner Olympia GmbH auch registriert worden, daß der Weinkeller in seinem Hotel gut sortiert ist. Dort lagere, so verraten die Berliner, ein edler Tropfen aus der Nebbiolo-Traube, der man fürs Etikett kurzerhand ein „b“ entzogen habe. Ein bißchen Kummer bereitete die Autofrage. Im OK-Fuhrpark der 68 Daimlers gab es nur einen 600er, aber zwei Anspruchsberechtigte: Nebiolo und Juan Antonio Samaranch, der IOC-Präsident, die Nummer eins also.

In dieser Not half Edzard Reuter. Nicht weil er als IOC- Sponsor den official car stellt, sondern als Freund des Spaniers. Der Vorstandsvorsitzende des größten deutschen Konzerns, der nebenbei auch noch Vorsitzender des Berliner Olympiakuratoriums sowie wichtigster Sportsponsor im Lande ist, hegt und pflegt den katalanischen Marquès, der ihm in seinem Selbstverständins als global player sehr nahe ist. Sport als ökonomische und politische Kraft, die dem eigenen Nutzen dient und fremden nicht ausschließt, das ist das verbindende Element. Nie wird Samaranch vergessen, wie ihm Reuter zur Seite gesprungen ist, als die deutschen Medien genüßlich seine Vergangenheit in der Franco-Ära ausgebreitet haben. Der IOC-Präsident sei ein „aufrechter, demokratischer Mann“, versicherte Reuter bei den Spielen in Barcelona.

Heute werden sich Edzard Reuter und Willi Daume, der alte Mann des Sports, die Ehre geben und die IOC-Mitglieder durch die konzerneigene Kunstsammlung geleiten, sie mit den neuesten Modellen vertraut machen, und zwischendurch wird sich der Herr des Hauses mit Samaranch „für eine halbe Stunde zurückziehen“, wie Daimler- Sprecher Matthias Kleinert weiß. Und der weiß Bescheid.

Der Sprecher ist es, der „heimliche Sportführer der Republik“ (Branchendienst „sport intern“), der die Strippen zieht. Er ist es, der nach Lausanne ins IOC-Hauptquartier fliegt, um mit Samaranch das Programm dieses 18. August zu besprechen, der klärt, ob es gefällt, wenn abends noch das Orchester der Ludwigsburger Festspiele unter Leitung von Professor Gönnenwein zwei Stücke von Mozart darbiete. Kleinert ist es auch, der darauf drängt, daß Helmut Kohl endlich Samaranch empfängt, um ein klares Bekenntnis zu Berlin hervorzulocken.

Sympathischerweise stilisiert sich der Generalbevollmächtigte der Daimler-Benz AG nicht zur Mutter Teresa der Berliner Olympiabewerbung. Er mache diesen Job wegen der „ungeheuren ökonomischen Perspektive“ für sein Unternehmen, erklärte der Sprecher, nicht um irgendwelche „Liebeleien zu befriedigen“. Nach ersten überschlägigen Kalkulationen könne man mit einem Geschäftsvolumen „in Milliardenhöhe“ rechnen, was sicherlich noch bescheiden gerechnet ist. Bei vorsichtig geschätzten 30 Milliarden Gesamtkosten für die Spiele in Berlin werden allein für Baumaßnahmen 10 Milliarden angesetzt. Von diesem Kuchen würde sich Daimler zu gerne ein großes Stück abschneiden, schließlich hat man als integrierter Technologiekonzern einen Verkehrsstrukturplan für Land, Wasser und Luft in der Schublade. Die Tochtergesellschaft „Debis“ könnte einen großen Teil der Dienstleistungen für die Spiele übernehmen, Mercedes die Lastwagen für die gigantischen Baumaßnahmen verkaufen, ganz zu schweigen von dem „Abstrahleffekt nach Osten“. Und dies alles gesteuert vom Potsdamer Platz aus, dem Hauptquartier 2000, „da hätten sich die Investitionen doch schon jetzt gelohnt“.

In dieser Mission wird Kleinert bei der Leichtathletik-WM, dem besten aller Resonanzböden, wieder Tag und Nacht unterwegs sein. In seinem VIP- Club wird er wieder mit den Funktionären „Oh when the saints go marchin' in“ singen, er wird ihnen die Vorzüge der S-Klasse („A wonderful car“) erläutern und sicherlich auch ein Eckchen finden, in dem die beiden Chefs des Ganzen, Primo Nebiolo (Sport) und Edzard Reuter (Wirtschaft), ungestört miteinander reden können. Josef-Otto Freudenreich