: Weißblaue Hilfssheriffs im Probelauf
■ Bayern will freiwillige „Sicherheitswacht“ einführen / Scharfe Kritik von SPD und Gewerkschaft der Polizei: „Bankrotterklärung für die Innere Sicherheit“
Nürnberg (taz) – Gekennzeichnet mit einer Armbinde und ausgestattet lediglich mit einem Funkgerät, werden ab kommenden Jahr 24 „Hilfssheriffs“ die Straßen von Nürnberg, Deggendorf und Ingolstadt durchstreifen. Sie sollen für Sicherheit in Wohnsiedlungen, in Parks oder Parkhäusern sorgen. Ist der sechsmonatige Probelauf erfolgreich, wird es dann bayernweit eine sogenannte „Sicherheitswacht“ geben. Innenminister Günther Beckstein ist überzeugt davon, daß der Freistaat Bayern damit „seine Spitzenposition im Bereich der Inneren Sicherheit ausbauen“ könne.
Nicht nur bei der Landtagsopposition, sondern auch bei der Polizei stößt das bayerische Modell auf harsche Kritik. Hartmut Preuß, Landesgeschäftsführer der Gewerkschaft der Polizei (GdP), nannte die Sicherheitswacht eine „Bankrotterklärung für die Innere Sicherheit“.
Die Idee der privaten Hilfssheriffs stammt von Becksteins Amtsvorgänger, dem heutigen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Der hatte die Einrichtung einer „Sicherheitswacht“ als Patentrezept gegen die steigende Kriminalität angesehen. In seiner Regierungserklärung Anfang Juli griff er seine Idee auf und sein Innenminister Beckstein arbeitete zügig einen entsprechenden Gesetzentwurf aus. Einstimmig votierte das Kabinett für die freiwilligen Polizisten, die Zustimmung des Landtags im Herbst ist nurmehr eine Formsache.
Der Gesetzentwurf sieht vor, daß die freiwilligen Polizisten nach vierzig Stunden Grundausbildung auf Streife gehen können. Für zwölf Mark in der Stunde sollen sie die Identität von Personen feststellen, Zeugen befragen und auch Personen bis zum Eintreffen der Polizei festhalten. Bei Gefahr im Verzug müßten sie aber sofort die Polizei verständigen.
Innenminister Beckstein wirbt für die „Sicherheitswacht“ damit, daß es darum gehe, die „Unkultur des Wegschauens“ zu bekämpfen. Als Vorbilder des Modells führt er die Freiwillige Polizeireserve in Berlin sowie den Freiwilligen Polizeidienst in Baden-Württemberg an.
Genau dort setzt auch die Kritik von GdP-Geschäftsführer Preuß an. Die Berliner Polizeireserve sei wegen rechtsextremer und anderer krimineller Umtriebe in Verruf gekommen. In Baden-Württemberg hätten die „schwammigen Grenzen“ zwischen dem, was der freiwillige Feierabendpolizist darf und was nicht, das Modell als wenig praktikabel erscheinen lassen. Ein Hilfssheriff ausgerüstet lediglich mit einem Funkgerät sei, so argumentiert Preuß, gerade im Bereich der Straßenkriminalität, wo die Bewaffnung und die Bereitschaft zur Gewalt in den letzten Jahren massiv angestiegen sei, „fehl am Platz“.
Dort brauche man „qualifizierte Polizisten und keine Leute, die nach Feierabend Kojak spielen wollen“. Der Bevölkerung werde durch diese Art „bezahlter Zeugen“ eine Sicherheit „vorgegaukelt“, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden sei.
Auch der Polizeiexperte der bayerischen SPD-Landtagsfraktion, Peter Paul Gantzer, lehnt die Pläne der bayerischen Staatsregierung strikt ab. Er warnt vor einer „Wild-West-Entwicklung“ im Freistaat. Sicherheit gehöre „nicht in die Hände von Laiendarstellern“. Bernd Siegler
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