Verfemter Autor unter Polizeischutz

■ Aziz Nesin warnte in Bonn vor islamischem Fundamentalismus

Bonn (taz) – Unter Polizeischutz sprach am Dienstag abend in der Bonner Vertretung des Bundeslandes Niedersachsen der türkische Autor Aziz Nesin zu etwa 60 ausgewählten Zuhörern. Nesin, einer der bekanntesten und profiliertesten Literaten seines Heimatlandes, war Anfang Juli nur knapp einem Mordversuch entkommen.

Eine aufgebrachte Menge hatte in der mittelanatolischen Stadt Sivas nach Koran-kritischen Äußerungen des Schriftstellers das Hotel in Brand gesteckt, in dem er und andere Kulturschaffende während eines dortigen Festivals wohnten. 36 Menschen kamen in den Flammen um.

In Bonn bezeichnete Nesin den wachsenden Fundamentalismus in der Türkei als „große Gefahr“. Das Massaker von Sivas sei die bislang folgenschwerste jedoch nicht die erste Gewalttat.

Die türkische Regierung ermutige durch ihr Verhalten die Fundamentalisten; so habe der Innenminister nach dem Massaker behauptet, Nesin hätte die Menge provoziert. Daher wolle er auch keine Anzeige gegen die Ordnungskräfte in Sivas stellen. Die angerückten Soldaten in Sivas hatten der Menge, die „Aziz, der Satan“ skandierte, schließlich das Feld überlassen.

Der Fundamentalismus habe schon die Oberhand im Land gewonnen.

Von der bundesdeutschen Regierung forderte der Autor mehr Wachsamkeit gegenüber den islamischen Fundamentalisten in der Bundesrepublik: „Wer zu Gewalttaten aufruft, sollte die Religionsfreiheit nicht genießen können.“ Auf einer Kundgebung des Fundamentalisten-Führers Cemalettin Kaplan vor 10.000 Anhängern in Köln seien vor wenigen Monaten Puppen verbrannt worden, die Laizisten darstellten.

Günter Wallraff, auf dessen Vermittlung die Veranstaltung zustande gekommen war, berichtete von einem Mordanschlag auf eine türkische Kollegin, die Kaplan im deutschen Rundfunk kritisiert hatte. bn