Der erste Klimabericht der Bundesregierung sucht händeringend nach Erfolgen. Der Umweltminister kann kein Konzept gegen den Autoverkehr präsentieren. Von Hermann Josef Tenhagen

Töpfer hilflos vor Klimakiller

Bundesminister Klaus Töpfer (CDU) ist gern der Schnellste. Zumindest beim Berichterstatten hat er's wieder einmal geschafft. Töpfer legte gestern den ersten Klimabericht vor, wie er nach der Konferenz von Rio künftig alljährlich vorgeschrieben ist. Der Bericht soll zeigen, wie ein Industriestaat durch Emission von Treibhausgasen das Klima aufheizt und was die jeweilige Regierung dagegen unternimmt. In unserem Fall: Wenig.

Die Bundesrepublik Deutschland ist mit einem Ausstoß von 910 Millionen Tonnen Kohlendioxid im Jahr 1992 weltweit der viertgrößte Treibhausheizer. In Deutschland wird eineinhalbmal soviel fossile Energie verbraucht wie in ganz Afrika und fast soviel wie in Lateinamerika. Doch seit 1987 haben sich die Deutschen zumindest den Zahlen nach beim Heizen und Autofahren zusammengerissen. 154 Millionen Tonnen Kohlendioxid weniger als vor fünf Jahren haben sie emitiert, das sind 14,5 Prozent weniger.

Ist die Bundesrepublik also auf dem besten Weg das selbstgesteckte Ziel einer Reduzierung der Kohlendioxidemissionen um mindestens 25 Prozent bis zum Jahr 2005 zu erreichen? Mitnichten.

Der Rückgang geht nämlich praktisch komplett auf das Konto der zusammengebrochenen Wirtschaft im Osten Deutschlands. Im Osten werden heute pro Kopf statt 18,6 Tonnen Kohlendioxid nur noch 11,5 Tonnen emitiert – ob sich diese positive Auswirkung der wirtschaftlichen Misere halten läßt, ist allerdings fraglich. Im Westen stiegen die Emissionen im gleichen Zeitraum um 21 Millionen Tonnen. Pro EinwohnerIn wurden damit 1992 drei Prozent mehr in die Luft gepustet als 1987. Erst mit der Wirtschaftskrise in diesem Jahr werden auch die Emissionen im Westen abnehmen.

Für die nähere Zukunft verkündet Minister Töpfer zwar noch Initiativen für eine Wärmenutzungsverordnung und eine Kleinfeuerungsanlagenverordnung. Allerdings gebe es noch Streit mit dem Wirtschaftsministerium bei der Ausgestaltung der Wärmenutzungsverordnung, die regeln soll, wie industrielle Abwärme nutzbringend eingesetzt werden kann. Doch ein Kohlendioxid-Minderungsprogramm ist noch nicht in Sicht. Ausgeklammert wurden bei der Präsentation gestern auch die Probleme des Braunkohlentagebaus. Das geplante Riesenloch Garzweiler II bei Köln und die in Sachsen und Brandenburg vorgesehene Förderung von Laubag und Mibrag verursachen nach Angaben der Nord-Süd-Initiative Germanwatch erheblich höhere Kohlendioxidemissionen als bislang angenommen.

Schlimmer aber noch das Versagen der bundesdeutschen Verkehrspolitik. Töpfer hat sich nach eigenen Worten gerade erst die neuesten Zahlen präsentieren lassen: Danach haben die Emissionen im Verkehr von 1988 bis Anfang 1993 um glatt 15 Prozent zugenommen – Tendenz steigend.

Am deutlichsten zeigt sich der Trend im LKW-Bereich. Der LKW-Verkehr nahm 1987 bis 1992 um 39 Prozent zu. Das Rheinisch- Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung rechnet ohne einschneidende Maßnahmen bis zum Jahr 2005 mit einem Gesamtanstieg von 42,8 Prozent; 28,7 Prozent im Westen und 155,4 Prozent im Osten.

Abhilfe ist nicht in Sicht. Zwar wiederholte Klaus Töpfer gestern seinen Willen, eine Begrenzung des Benzinverbrauchs im europäischen Rahmen zu erreichen. Eine „Flottenverbrauchregelung“ soll bei der EG-Kommission in Arbeit sein. Der Minister hält an dem Ziel fest, den Verbrauch aller Neuwagen bis zum Jahr 2005 auf im Schnitt fünf bis sechs Liter zu senken. Auch verbuchte er die letzte Erhöhung der Mineralölsteuer um 18 Pfennige als Erfolg gegen den Moloch Verkehr. Aber für einschneidende Maßnahmen, die eine Trendwende bewirken könnten, hält der Minister das alles nicht.

Auf die Frage nämlich, wann er denn mit einem Wirksamwerden der Maßnahmen, mit einer Umkehr des Trends zu immer höheren Verkehsemissionen rechne, kam keine Antwort. Auch die Frage nach dem Zeitpunkt für eine Rückkehr der Emissionen auf das niedrigere Niveau von 1987, wollte der Minister nicht beantworten.

Zum zentralen Stichwort Verkehrsvermeidung findet sich im 140 Seiten langen Klima–Bericht die schöne Formulierung: Es „muß auch dem Gedanken Rechnung getragen werden, daß durch eine vorausschauende Berücksichtigung der Wechselwirkungen zwischen Verkehr und Raumordnung sowie Siedlungsstruktur bereits die Entstehung von Verkehr vermieden werden kann“. Konkreteres sucht man vergeblich.

Dafür wurde der Minister aber nicht müde, die großen Erfolge der Bundesregierung beim Verzicht auf den Ozonkiller FCKW hervorzuheben.

In der Tat liegt die Bundesrepublik hier weit vorn. Der Ozonkiller hat zudem auch ein erhebliches Treibhauspotential, das so hoch ist, daß Ende der achtziger Jahre das Treibhaus mit westdeutschem FCKW fast genausosehr aufgeheizt wurde wie mit allen westdeutschen Autos, Öfen und Industriefeuerungen zusammen. Die Produktion von FCKW in der Bundesrepublik soll von 71.000 Tonnen im Jahr 1986 auf praktisch Null im Jahr 1994 fallen. Weil auch Verringerungen bei den Stickoxiden und flüchtigen Kohlenwasserstoffen international vereinbart sind, „strebt die Bundesregierung aller klimarelevanten Emissionen in einer Größenordnung von 50 Prozent bis zum Jahr 2005 an“.

Ausgezeichnet verstand es Töpfer gestern, von den Unzulänglichkeiten bundesdeutscher Umweltpolitik auf die Europäischen Probleme überzuleiten. Der Minister nutzte die Gelegenheit, deutliche Kritik an der EG-Klimapolitik zu formulieren. Auf EG-Ebene wolle man die Klimakonvention zwar ratifizieren, aber wie die Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid stabilisiert werden sollen, sei völlig unklar. Die EG-Energiesteuer liege auf Eis. Acht der 12 EG-Mitgliedsstaaten wollten, statt Emissionen zu vermeiden, ihre Emissionen in den kommenden Jahren noch steigern, in Einzelfällen, wie Irland sogar um 20 Prozent bis zum Jahr 2000.