Soundcheck

Gehört: Mutter. Die meisten Vorwürfe wegen Nekrophilie oder Belanglosigkeit erhoben MusikhörerInnen in den vergangenen Jahren gegenüber der Musik, die die Gruppe Mutter am Mittwoch abend im feuchtheißen Marquee zur Aufführung brachte: Ewig blutverschmierten, wachen, schuldig-schönen Rock spielte das zum Umfallen engagierte Quartett um den Sänger Max Müller. Der Auftritt des barbrüstigen Müller erinnerte an das Pathos des vor Erschöpfung auf der Bühne zusammenbrechenden Ozzy Osbourne, aber auch an die lauernde Sprungbereitschaft Iggy Pops. Schlagzeuger Florian Koerner von Gustorf übte das weite lässige Ausholen, das bei vielen den Wunsch nach einer neuen Existenz als Kesselpauke hinterließ.

Psychodelik und sogar Dub-Effekte fanden mühelos im Spiel des Bassisten Karl Floser und des anmutigen Silde-Gitarristen Frank Behnke Platz. Die Gruppenmitglieder unternahmen zu jeder Zeit das Gleiche mit unterschiedlichen Mitteln: Das langsame, genuß-, schmerz- und überlegungsreiche Abbilden platzproblembehafteter Herzen. Wer einmal Müller erlebt, einmal seine Methode des Sehen-Aussprechen-Stehenlassens auf einer vier Quadratmeter kleinen Bühne verfolgt hat, der kommt nicht mehr von dieser Gruppe los. Mutter bilden keinen Sog für den Zuhörer, den diese wieder mal als allgemein -(platz)-gültige „Intensität“ goutieren könnten. Mutter verschaffen auch nicht jenem Individualisten-Kult Auftrieb, der die Geltungssucht Alleingelassener in WG-Zimmern nährt. Sie hinterlassen lieber die Spielregel, daß keiner der mit drin hängt, nur noch über dieses Hängen reden kann. Wer das tut, ist kein anmutigerer Verlierer, wer sich meint, hat noch nicht gewonnen, schrie Müller sinngemäß den von der Bedrohung Faszinierten zu.

Kristof Schreuf

Heute: Die Knödel. Das fidele Oktett aus Österreich musiziert auf Instrumenten wie hölzernem Glachter, Hackbrett oder Okarina ebenso versiert wie auf Bratsche, Harfe und allerlei Holz- und Blechblasgeräten. Mit lieblichen und avantgarde-klassischen Einfällen streift das weitgereiste Ensemble zwischen den Musikstilen umher. Fabrik, 21 Uhr

Außerdem: Son of/Sensible Sharks Honigfabrik, 21 Uhr

Negus Negast/Riddim Posse Große Freiheit, 22 Uhr