Verkehr: Thema in Bonn

■ Eisenbahnkonzept beschäftigt Baukommission des Bundestags / Conradi (SPD) hält Tunnel für nicht bezahlbar

Über das von Senat und Bundesregierung beschlossene Berliner Eisenbahnkonzept ist noch immer nicht das letzte Wort gesprochen. Wie es in einem Brief der Bundestagspräsidentin Rita Süssmuth heißt, werde die „Konzeption nach der Sommerpause voraussichtlich noch einmal Gegenstand in entsprechenden Gremien des Bundestages“ sein. Der Süssmuth-Brief, der der taz vorliegt, ist eine Antwort auf ein Schreiben des verkehrspolitischen Sprechers der Berliner Fraktion Bündnis 90/ Grüne, Michael Cramer.

Der Abgeordnete hatte der Präsidentin und verschiedenen Bundesministern vorgeschlagen, auf den unterirdischen zentralen Umsteigebahnhof am Lehrter Bahnhof und den Eisenbahntunnel unter dem Tiergarten zu verzichten. Denn diese „größenwahnsinnigen Ausbauprojekte“ würden „Gelder verschlingen“, die für den Neubau oder die Wiederherstellung wichtigerer Eisenbahnstrecken von und nach Berlin gebraucht würden. Laut Cramer sei das von Umweltverbänden und Verkehrsinitiativen noch immer favorisierte „Ringkonzept“, bei dem die Eisenbahn statt mitten in die Stadt hineinzufahren, auf einem Ring um die Innenstadtbezirke geleitet würde, schneller und billiger zu realisieren.

Peter Conradi, baupolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, will in der Baukommission des Bundestags Berlins Verkehrskonzept diskutieren, weil er den Bau des Tunnels unter dem Tiergarten für „höchst fraglich“ hält. Das Vorhaben sei „gar nicht finanzierbar“. Bei U- und S-Bahn, für die auch jeweils ein Tunnel unter dem Tiergarten vorbereitet wird, habe ihm ebenfalls der Vorschlag der Grünen eingeleuchtet, sagte Conradi der taz. Die Grünen wollen statt der U- und S-Bahn- Röhren eine oberirdisch geführte Straßenbahn. Sie könne bereits nach drei statt 13 Jahren Bauzeit fahren, und deren Schienenstrecke wäre mit 22 Kilometern doppelt solang wie die der geplanten U- und S-Bahn-Verlängerung. Außerdem könnten so zwei Milliarden Mark gespart werden.

Die Baukommission berät den Bundestag in allen baulichen Fragen bei der Planung des Regierungsviertels im Spreebogen. Die Kommission selbst hat keinen direkten Einfluß auf Berlins Verkehrspolitik. Über Verkehrsfragen, die das Regierungsviertel betreffen, muß sich der gemeinsame Ausschuß Bonn-Berlin, in dem Bundesregierung und Senat vertreten sind, einigen. Conradi will, daß die Baukommission das in dem Ausschuß vertretene Bundesverkehrsministerium drängt, das Berliner Eisenbahnkonzept auf der Dringlichkeitsliste der Projekte des Bundesverkehrswegeplans „nach hinten“ zu schieben. Doch offiziell dementiert das Verkehrsministerium, Berlins Planung in Frage zu stellen. „Inwieweit eine grundlegende Änderung angesichts der bereits getroffenen Entscheidungen noch möglich ist, sei von der zuständigen Senatsverwaltung zu klären“, heißt es in einem Schreiben an ein Darmstädter Ingenieurbüro. Das Büro hatte im Juni einen neuen Vorschlag in die Diskussion gebracht, nach dem ein zentraler Umsteigebahnhof auch dann realisierbar sei, wenn auf den Eisenbahntunnel unter dem Tiergarten verzichtet würde. Vorteil: Einsparungen in Milliardenhöhe und Zeitgewinn beim Bau des Regierungsviertels, weil unter den Bauten des Bundestages ein Tunnel wegfiele (die taz berichtete). Doch Bahn wie Senat lehnen die Darmstädter Idee als „unrealistisch“ ab. Die Bahn hat den Vorschlag eingehend geprüft, eine abschließende Stellungnahme steht allerdings noch aus.

Doch Conradi widerspricht der Darstellung aus dem Hause von Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann (CDU). Ihm selbst seien „erhebliche Bedenken“ des Ministeriums gegen Berlins Eisenbahnplanung bekannt, weil auch die Bonner Ministerialbeamten der Meinung seien, daß Berliner Zentralbahnhof und Tunnel unvertretbar viele Finanzmittel bindeten. Dirk Wildt