Speer-Tunnel unter dem Tiergarten entdeckt

■ Beton muß vor Baubeginn des geplanten Eisenbahn- und Straßentunnels entfernt werden / Kosten bislang unklar

Nur auf eigene Gefahr und möglichst mit fester Kleidung sowie Gummistiefeln versehen durften gestern Presseleute zwei alte Tunnelbauwerke am Sowjetischen Ehrenmal in Tiergarten inspizieren. Der mühsame Abstieg über enge Schächte bis in eine Tiefe von 19 Metern lohnte aber kaum: Durch Wasserlachen watend sah man nichts weiter als solide, helle Betonwände mit herausragenden Moniereisen.

Die beiden Straßentunnel aus der NS-Zeit, die Hitlers „Generalbaumeister“ Speer als gigantische unterirdische Verbindung zwischen einer Ost-West- und einer Nord-Süd-Achse im Bereich der seinerzeit geplanten „Großen Halle“ anlegen ließ, waren 1966 unter strengster Geheimhaltung von britischen Soldaten freigelegt und erkundet worden. Wie Bausenator Wolfgang Nagel (SPD) bei der Besichtigung berichtete, gibt es im Untergrund des Zentralen Bereichs jedoch eine noch unbekannte Zahl weiterer, ähnlicher Betonbauten aus der braunen Vergangenheit. Die für Berlin unangenehme Neuigkeit: Die Relikte aus der Zeit von vor 1945 behindern teilweise den geplanten Bau der diversen Nord-Süd-Tunnelanlagen im Zentralen Bereich und müssen – wie auch immer – entfernt werden.

Das größte Problem beim Bau der neuen viergleisigen Nord-Süd- Eisenbahntunnel ist ein querliegendes, unterirdisches Bauwerk, das unmittelbar an der Nord-West- Ecke des Reichstagsgebäudes verläuft. Dabei handelt es sich um einen 18 Meter tiefen und 197 Meter langen Tunnel, der laut Bauverwaltung bereits Teil der projektierten U-Bahn-Verbindung zwischen Moabit und Alexanderplatz war. Zur Überraschung der Planer wurden zwischen Reichstag, Brandenburger Tor und Pariser Platz sogar zwei „Hohlräume“ gefunden, die auf die neue S-Bahn-Linie 21 und den Bau der U-Bahn-Linie 5 zwischen Lehrter Bahnhof und dem Bahnhof Unter den Linden mit der Verlängerung zum Alex „größeren Einfluß“ haben.

Ungeachtet dessen versicherte Nagel, es werde bei der Realisierung der neuen Nord-Süd-Tunnelanlagen, die unter der Spree einen Querschnitt von immerhin 107 Metern haben sollen, zu keinerlei Verzögerungen kommen. Sicherheitshalber basteln die Fachleute der Bauverwaltung aber an Konzepten, wie parallel zum Abriß des alten Betons der neue verbaut werden kann, um bei der Terminplanung nicht in Verzug zu geraten. Baubeginn für Eisenbahn-, U- und S-Bahn- sowie den Straßentunnel soll 1995, die Eröffnung im Jahr 2000 sein.

Nach den Worten des Projektleiters Klaus Schellbach können die Kosten für die Entfernung noch nicht abgeschätzt werden. Größtes Problem sei der unter der Ebertstraße entdeckte U-Bahnhof. Die Absenkung des Grundwassers, die für den Abbau der Anlage notwendig sei, bringe Risiken für die Fundamente der benachbarten Gebäude mit sich. Was auf die Planer noch zukommt, wissen diese voraussichtlich in etwa einem Monat endgültig. Dann sind die etwa 2,5 Millionen Mark teuren Untersuchungen des Instituts für angewandte Geophysik der Bochumer Deutschen Montantechnologie (DMT) abgeschlossen, so deren Leiter Christoph Gelbke gestern. Thomas Knauf