■ Wird Scheich Abdel-Rahman nach Kairo ausgeliefert?: Die Geister, die der CIA rief...
Niemand kennt die geheimnisvolle Persönlichkeit des blinden ägyptischen Scheichs Omar Abdel-Rahman wohl besser als der CIA. Die intime Beziehung zwischen Omar Abdel-Rahman und dem amerikanischen Geheimdienst geht auf den Beginn der achtziger Jahre zurück. Damals koordinierte Omar Abdel- Rahman die Entsendung ägyptischer Afghanistanfreiwilliger in das pakistanische Peschawar, wo sie von Mitarbeitern des amerikanischen Geheimdienstes trainiert wurden. Und es war der CIA-Beauftragte in der amerikanischen Botschaft in Khartum, der ihm das Visa in die USA verschaffte – gegen die Vorbehalte des Konsuls.
Während des Kalten Krieges waren die religiösen Fanatiker von dem Schlage Omar Abdel-Rahmans den USA überall in der islamischen Welt ein willkommenes Instrument in ihrem weltweiten Feldzug gegen den Kommunismus und alles, was man unter diesem Begriff subsumierte. Inzwischen hat der Mohr seine Schuldigkeit getan – aber gehen will er trotzdem nicht. Die einmal geweckten Geister kämpfen weiter. Heute jedoch nicht mehr gegen den Kommunismus, sondern gegen die prowestlichen, nach ihrer Lesart „ungläubigen“ Regime in ihren Heimtländern. In Ägypten haben die Anschläge der „Gamaat Islamia“ allein seit diesem Frühling 175 Todesopfer gefordert. – Die ägyptische Regierung reagiert mit zunehmend „Eiserner Faust“. Sie will Omar Abdel-Rahman, die geistliche Symbolfigur und den vermuteten Drahtzieher des islamischen Untergrunds in Ägypten, auch international aus dem Verkehr ziehen. „Den Terrorismus“ – sprich die Gamaat – „mit der Wurzel ausrotten“ ist die Devise.
Obwohl zwischen Kairo und Washington kein offizielles Auslieferungsabkommen besteht, hatten die ägyptischen Behörden vor zwei Monaten Mahmud Abdel-Halimeh, dem die USA die Beteiligung am Anschlag auf das World Trade Center vorwerfen, an die USA ausgeliefert. Sie hatten damit gerechnet, daß der Preis für Halimeh die Auslieferung des blinden Scheichs an Ägypten sein wird. Daß dies nicht geschehen ist, hat hinter den Kulissen zu Verstimmungen zwischen Washington und Kairo geführt. Stimmen in der ägyptischen Presse, die den USA vorwerfen, die eigentlichen Hintermänner des Terrorismus zu sein, mehren sich.
Aber die Details darüber kennen nur der CIA und der harte Kern des islamischen Untergrunds. Es ist zu befürchten, daß Omar Abdel Rahman davon einiges zu seiner Verteidigung ausplaudern wird, sollte er tatsächlich in Ägypten vor Gericht gestellt werden. Eine sanfte Abschiebung nach Afghanistan würde den USA sicherlich einigen diplomatischen Ärger im Nahen Osten ersparen. Ivesa Lübben, Kairo
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