Flüchtlinge sollen nach Hause gehen

■ Kroaten in Baden-Württemberg werden beim Wiederaufbau gebraucht

Nach Berlin kündigt nun auch Baden- Württemberg die Schutzbereitschaft für kroatische Flüchtlinge auf. Bis zum 30. September sollen sie das Land verlassen haben. Ausnahmen will das baden- württembergische Innenministerium nur für Kranke und Verwundete gelten lassen und für diejenigen, die eine Herkunft aus den serbisch besetzten Landesteilen nachweisen können. Das hat Innenminister Frieder Birzele (SPD) den 14.000 in Baden-Württemberg lebenden kroatischen Flüchtlingen mit Schreiben vom 3. August mitgeteilt.

Die „wichtige Mitteilung“ beginnt mit einer frohen Botschaft aus der Heimat: „Kroatien befindet sich nach (!) dem furchtbaren Bürgerkrieg und der Erlangung der Souveränität im wirtschaftlichen und staatlichen Aufbau ... Wir appellieren an Sie, möglichst bald nach Kroatien zurückzukehren.“ Aus dem Appell wird einen Satz später die Drohung, „daß Ihr Aufenthaltsrecht spätestens am 30.9.1993 enden wird. (...) Es bleibt Ihnen bis zum 30.9. aber genügend Zeit, Ihre persönlichen Angelegenheiten hier in der Bundesrepublik zu ordnen.“ Sollten die persönlichen Angelegenheiten bis dahin nicht „geordnet“ sein, werden „aufenthaltsbeendende Maßnahmen eingeleitet, deren Kosten Sie dann zu tragen hätten“.

Anders als andere Bundesländer will Baden-Württemberg auch diejenigen Kroaten nicht mehr dulden, die vor dem von den Länderinnenministern gesetzten Stichtag 22.5.92 eingereist sind. Statt dessen hat das Ministerium eine – recht lückenhafte – Negativ-Liste von Ortschaften erstellt, in die nach Einschätzung der kroatischen Regierung eine Rückkehr noch nicht möglich ist.

Erschreckend für die Betroffenen ist jedoch nicht nur die ultimative Botschaft des amtlichen Schreibens. Mehr als ungewöhnlich ist auch seine Form. Es stammt von einer bisher völkerrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Doppelregierung: neben dem baden-württembergischen Landeswappen prangt das Wappen der Republik Kroatien im Briefkopf. Unterschrieben ist die Ausweisungsandrohung gleichrangig von Innenminister Birzele und vom kroatischen Botschafter in Deutschland, Ivan Ilic. Es endet mit dem deutsch-kroatischen Gruß: „Wir bitten um Verständnis für unsere Maßnahmen. Doch Kroatien braucht sie jetzt beim Wiederaufbau.“

Zurückzuführen ist diese ungewöhnliche Fürsprache eines deutschen Innenministeriums für die Interessen einer der Kriegsparteien offenbar auf einen Besuch Birzeles in Zagreb. Dabei, so heißt es, habe man sich überzeugt, daß in weiten Landesteilen Kroatiens keine unmittelbare Gefahr herrsche und „dort nichts entstehen kann, wenn die Leute alle im Ausland bleiben“. Warum Kroatien, das derzeit bosnische Flüchtlinge zwangsweise nach Pakistan verschifft, für eine Rückkehr der eigenen Landsleute plädiert, ist unklar. Ein Großteil der jetzt von Abschiebung Bedrohten wird weder ein Dach über dem Kopf noch eine Arbeit haben. Von der Innenministerkonferenz der Länder geforderte Finanzhilfen des Bundes für die Rückkehrer gibt es bisher nicht. Vera Gaserow