Der perfekte Mord im Schulheft

■ Djuna Barnes und Domprediger Abramzik: Neue Kleinigkeiten aus dem Verlag von Bettina Wassmann

Auf ihrem Weg zum kleinstmöglichen Buch hat Bettina Wassmann, Verlegerin aus unserem Städtchens, den nächsten Schritt getan: Die beiden neuen Bändchen kommen dünn und wundersam bescheiden daher, kaum dreißig, vierzig Seiten, mit einem Faden zusammengebunden wie seinerzeit die Schulhefte, in denen bekanntlich auch immer Platz hatte, was wirklich wichtig war.

Solche minimalen Werke beseligen ja schon mit dem, was sie einem ersparen. Das eine enthält nichts als einen sanftmütigen Vortrag des inzwischen verstorbenen Dompredigers Günter Abramzik; er spricht darin „von wahrer Duldung“ am Beispiel gerade der kampflustigen Aufklärer Mendelssohn und Lessing. Im anderen steht kurz und bündig eine Geschichte von Djuna Barnes, geschrieben 1942; ihr Titel: „Der perfekte Mord“. Leider ist es keine sehr gute Geschichte, wiewohl der alte Professor Anatol Profax als Mundartforscher herrlich passioniert vor sich hin modert, bis ihm diese Frau in den Weg läuft.

Es ist die alte Mär vom Spießer und seinem verstoßenen Geschwisterchen, dem Künstlerwesen, hier — womöglich kriegsbedingt — in der einfallsärmsten und trostfernsten Extremvariante: Ein lustiges Scheusal der Rationalität trifft auf ein im Gegenzug schon mehr als wahnsinnig originelles Weibsbild, welchem natürlich nur Sachen wie diese aus heiterem Himmel in den Sinn purzeln: „Ich bin hohl, bis Sie sich an mich gewöhnt haben. Wenn es nicht so zeitig wäre, würde ich Kutteln und ein Pint Bitterbier vorschlagen“. Oder: „'Ich liebe Feinde', sagte sie, 'und Mozart'“.

Hier finden sich dann passenderweise Noten in den Text eingeblendet, so wie beim Satz „Die Leute beten mich an“ auch gleich ein Kruzifix zur Stelle ist. Das ganze Heft ist durchsetzt mit Fotos von enigmatischen Weingläsern, Granatäpfeln und vor allem Frauenunterbeinen, was einem in all seiner dröhnend stummen Bedeutungsträgerschaft das Lesen ein wenig verleidet.

Auch sonst gibt es Ärgernisse zu brandmarken: Die deutsche Erstübersetzung von Inge von

Ein Buch zum Nachschlagen und Rechthaben

Weidenbaum ist stellenweise etwas ungeschickt: Von Gentlemen, die „gesichert waren“, ist

beispielsweise die Rede, wo sie im amerikanischen Original beileibe nicht „saved“, sondern schlicht „safe“, also „sicher“ sind, was doch ein Unterschied ist. Oder die Passage vom Buch, welches „an sich wertvoll, aber umso wertvoller durch die Anmerkungen“ usw. sein soll: „aber umso“ ist einfach Quatsch. Zum Glück ist der Text hintendran noch einmal in seiner amerikanischen Originalfassung abgedruckt, so daß der geneigte Leser eine Menge Gelegenheiten zum Nachgucken und Rechthaben hat. Nein, man findet schon sein kleines Vergnügen an diesen Heftchen; ob es die lästerlichen 20 Mark wert ist, welche sie jeweils kosten, muß der Leser mit seinem Gewissen abmachen.

Manfred Dworschak