Aktiv leiden für den Märchenprinzen

■ Exklusiv für die taz Bremen: Katja Riemann, Hauptdarstellerin in „Abgeschminkt“, über die Traummänner und die Schauspielerei

Als ob es ein neuer Abspann in Abgeschminkt wäre: In Schlabberhemd und Turnschuhen springt Katja Riemann ins „Rampenlicht“, einem alten Szene-Cafe in Kreuzberg: „Ist ja schon witzig, daß wir uns gerade hier treffen.“ Herrlich ehrlich wie im Film. Paula hat sie ein wenig aufgehalten — es sei Paula verziehen. Gerade mal drei Wochen alt, ist sie der Grund dafür, daß Katja Riemann im Moment eigentlich keine Interviews gibt. Außer für Bremen.

„Bremen war für mich immer die Stadt gewesen“, sagt die Bremerin, die Leute mag, die aus Kleinstädten kommen. Katja Riemann ist in Kirchweyhe und Barrien aufgewachsen. Am Leester Gymnasium verknallte sie sich während der Aufführung einer Persiflage auf die Miss-Wahl heftig in einen Bremer und war alsdann beim Schultheater am Barkhof aktiv. Erst wollte sie Tanzpädagogin werden, hospitierte dann am Theater in Castrop-Rauxel, bevor sie die Schauspielschule in Hannover begann. Ihren ersten großen Filmerfolg landete sie kurz darauf — in Bremen, als Hauptdarstellerin in Sommer in Lesmona, einer Produktion von Radio Bremen von 1987. Ein Jahr später gab's dafür den Adolf-Grimme- Preis in Gold.

„Zur richtigen Zeit hatte ich das richtige Alter und das richtige Aussehen und wohnte am richtigen Ort — Am Dobben“, schmunzelt die Frau unter dem krausen blonden Haar. Tief beeindruckt war sie von der Zusammenarbeit mit dem Regisseur Peter Beauvais.

Das meint sie auch heute noch. Nachdem sie jeweils zwei spannende Jahre mit festen Engagements erst an den Münchner Kammerspielen, dann am Schillertheater in Berlin erlebt hat und Schillers Räuber, Racine, Botho Strauß oder das Lieschen in Goethes Faust gespielt hat. Volker Schlöndorffs „Frauen vor Flußlandschaft“ nach dem Roman von Heinrich Böll war ihr ein bißchen zu textlastig. Wenn sie sich allerdings ihre Filme vor Sendung zu Hause ansieht, schlägt sie noch jedesmal die Hände vors Gesicht und blinzelt auf den Bildschirm. „Du kannst dann ja nichts mehr daran ändern. Ich hasse es, mit soundsovieltausend Zuschauern zeitgleich vorm Fernseher zu sitzen. Und es ist immer noch faszinierend für mich, dann kein Kabel, kein Zeichen, keinen Scheinwerfer, nur noch die Schauspieler zu sehen.“

Daß Abgeschminkt schon seit Wochen die Kinos füllt, auch darüber kann Katja Riemann noch staunen. „Mich freut's immer wieder, wenn Frauen sagen, daß sie sich in unserem Film wiedersehen, auch wenn ich dieses Wort nicht mag.“ Zusammen mit Regisseurin und Autorin Katja von Garnier, die sie flüchtig kannte, und ihrer Filmfreundin Nina Kronjäger hat sie einiges am Drehbuch mitentwickelt, bevor Abgeschminkt in nur 15 Tagen quasi am Stück abgedreht wurde. Mangels Etat und zugunsten einer umwerfenden Frische und Unbefangenheit.

Glaubt Katja Riemann an den Märchenprinzen? Sie lacht und nimmt die Frage ernst: „Der Märchenprinz kommt, glaube ich, zwischendurch mal. Er ist ja 'ne unheimlich subjektive Angelegenheit. Ich meine, es kann einer immer mal wieder Märchenprinz sein.“ Die Gefühlswogen von Frenzy und Maischa im Film würde sie nennen ... aktives Leiden, ja genau, das ist es. „Das muß ich gleich Katja sagen; wir haben so lange nach dem geeigneten Begriff gesucht!“

Frenzy und Maischa sind in ihren Augen total, absolut emanzipiert. Wenn man Abgeschminkt jedoch als Frauenfilm bezeichnete, würde er klein. Bei Frauenfilmen denkt Katja Riemann an Margarethe von Trotta und die Siebziger. „Die Feministinnen von damals haben unheimlich viel erreicht; ich ziehe meinen Hut ganz tief vor ihnen. Unsere Generation erntet davon nun die Früchte und ist vielleicht nicht ganz so verbiestert.“ Und: „Die Männer, mit denen wir's zu tun haben, sind auch nicht mehr die mit den selbstgebatikten T-Shirts.“

Paulas Vater Peter Sattmann — im Film der schmierige Redakteur — ist angeblich froh, daß er mal an der Tankstelle gearbeitet hat und folglich Ölwechseln kann. Wie es Katja alias Frenzy von ihrem Traummann erwartet. Darüberhinaus bringt er die Schauspielerin zum Singen — die beiden erproben sich in Reggae, Blues, Soul und wollen mit deutscher Popmusik auf den Markt. „Wir spielen viele Instrumente ganz schlecht.“ Jetzt will Katja Musik machen, „bei der es die Leute auf die Tanzfläche zerrt. Ich kenne in Deutschland nur einen, der richtig gute Mucke macht, das ist Herbert Grönemeyer.“

Der hat auch Sommer in Lesmona vertont. Womit wir wieder in Bremen wären. „Ach ja, Bremen ist wie Hamburg ohne den vierten Stock.“ Weg ist sie. Über ihre Projekte im nächsten Jahr, die noch in Planung sind, mochte sie nicht reden. Das bringt Unglück. Silvia Plahl