Fressen Mikroorganismen das Brandenburger Tor?

■ Hersteller eines Anti-Graffiti-Mittels wehrt sich gegen Vorwürfe der Presse

Ist der zuckerähnliche Stoff, der das Brandenburger Tor seit zwei Jahren vor Graffiti schützen soll, ein gefundenes Fressen für schädliche Mikroorganismen? Droht dem symbolträchtigen Denkmal der langsame, wenn auch graffitifreie Zerfall, wie der Tagesspiegel und Focus kürzlich meldeten? Geht es nach der Herstellerfirma des Anti- Graffiti-Mittels, der PSS Interservice AG, dann basieren die alarmierenden Meldungen auf einem Mißverständnis.

Gestern lud die Firma zu einer Pressekonferenz in den Fernsehturm am Alexanderplatz, um eine „volle Entwarnung“ zu verkünden. Bei weltweiten Verkaufsprognosen von rund einer Million Liter jährlich geht es um mehr als nur den guten Ruf von PSS 20, einem Polysaccharid, ähnlich wie Zucker oder Stärke, das Graffiti den Garaus machen soll.

Den Zeitungsberichten zufolge soll PSS 20 das Wachstum von Pilzen und Mikroorganismen fördern, die wiederum die Bausubstanz angreifen können. PSS 20, genannt nach dem schwedischen Erfinder Professor Siegfried Svensson, wird in flüssiger Form als Schutzschicht auf Gebäude aufgetragen. Das Mittel hält zwar keine Spraydose fern, gibt jedoch dem Graffiti keine Überlebenschance: Mit heißem Wasser kann man das Mittel samt Graffiti von der Mauer waschen, versprach gestern Peter Andrea Buchli, Delegierter des Verwaltungsrats der PSS Interservice AG.

„Es ist wissenschaftlich absolut untermauert, daß Mikrobakterien keine Polysaccharide als Nährboden verwenden“, sagte Buchli. Dr. Michael Kupfer, ein Berliner Wissenschaftler, der sich seit Jahren damit befaßt, wie man den Graffiti am besten zuleibe rückt, mahnte jedoch zur Vorsicht. Er bestätigte, daß es zur Zeit keine Hinweise gibt, die darauf deuten, daß PSS 20 zu einem Ansteigen von Mikroorganismen führt. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, daß das in Zukunft noch passieren kann, sagte Kupfer.

Svensson widersprach dem nicht: „Niemand weiß, was in fünf oder zehn Jahren passieren kann.“ Sollte PSS 20 zu Problemen führen, könne es aber einfach abgewaschen werden, meinte der Professor, der das Produkt ursprünglich entwickelte, um Segelboote von Algenbewuchs freizuhalten. Die Idee, PSS 20 als Graffiti-Bekämpfungsmittel zu benutzen, sei ihm nebenbei gekommen. Neben dem Brandenburger Tor sind rund 15.000 Quadratmeter Berliner Gemäuer PSS-20-behandelt. Welche genau, wollte Buchli nicht sagen, aus Furcht, Graffiti-Künstler herauszufordern. In Frankreich, weit weg von hiesigen Schmierfinken, seien jedoch der Louvre und Notre Dame durch PSS 20 geschützt. Barbara Steuart