Warnung: Bloß keine Kunst

Nachbarschaftshaus Pfefferberg kritisiert westliches Ressortdenken im Senat: Soziale Projekte dürfen keinen künstlerischen Anspruch haben  ■ Von Christian Arns

Aufgeregt basteln Kinder an der großen Plastik herum, wickeln Draht um einen Steinbrocken, der ein besonderes Detail werden soll. Die Umsitzenden auf dem Teutoburger Platz sehen den Kids interessiert zu, trinken eine Tasse Kaffee und freuen sich, daß durch das Kiez-Caf'e wieder Leben zurückkehrt. „Toll, wie begeistert die Kinder an ihrem Kunstwerk arbeiten“, lobt eine alte Dame die Initiatoren vom Nachbarschaftshaus Pfefferberg. Doch die hören das Kompliment mit gemischten Gefühlen: Kunst darf nicht geschaffen werden, sonst gibt's kein Geld.

„Das entspricht überhaupt nicht unserem Selbstverständnis“, bemängelt Susanne Besch, die früher beim Haus der Jungen Talente beschäftigt war. Die strikte Trennung, wer sich künstlerisch betätigt und wer soziale Arbeit leistet, habe es in der DDR nicht gegeben, „damals fand sich alles unter dem Dach des Magistrats für Kultur“.

Die Konzeption des Nachbarschaftshauses in der Christinenstraße kollidiere häufig mit den Strukturen und Förderprogrammen des Senats. „Wir stellen uns einen Kiez-Treffpunkt vor, in dem die Leute am Programm teilnehmen oder sich einfach unterhalten können“, erklärt Textilgestalterin Conny Wieland. In der DDR sei dieses Bedürfnis in den Zirkeln aufgefangen worden.

„Die Frauen hier gehen zum Beispiel nicht einfach zu einer Beratungsstelle“, ergänzt Besch, „aber wenn sie am Keramikkurs oder der Müttergruppe teilnehmen, dann rücken sie auch mit ihren Problemen raus.“ Um auch weiter attraktives Programm anbieten und dem sozialen Anspruch so auf Umwegen gerecht werden zu können, würde sie gerne an einer künstlerischen Fortbildung teilnehmen, „aber dafür gibt's vom Senat kein Geld“. Sie müsse stets versichern, auf gar keinen Fall Kunst zu schaffen.

„Das ist übertrieben“, relativiert Wolfgang Zügel, Pressesprecher der Sozialverwaltung, diese Einschätzung. Es gebe zwar „Haushalts-Abgrenzungsschwierigkeiten, um die wir nicht herumkommen“, aber es würden auch übergreifende Programme gefördert. Einen festen Katalog von Kriterien, die ein Projekt zu erfüllen habe, gebe es nicht. „Aber natürlich kann nicht ausschließlich künstlerische Arbeit gefördert werden.“

„Ich will die Leute aktivieren“, hat sich Sigrun Lucht, ABM-Kraft im Nachbarschaftshaus, als Ziel gesetzt. Dabei könne sie den Menschen unmöglich sagen, daß es sowieso keine Kunst sei, an der gearbeitet werde. „Durch das Ressortdenken wird ständig übersehen, daß einfache und ehrliche Arbeiten gar nicht eindeutig von vermeintlich hoher Kunst zu trennen sind“, wendet sich Susanne Besch gegen einen elitären Kulturbegriff, den sie der Senatsverwaltung für Kulturelle Angelegenheiten vorhält. Dieses Denken nennt sie „typisch für den Westen“; problematisch sei daran, daß es dem Osten einfach übergestülpt worden sei.