■ Verwaltungsreform und die Folgen
: Trojanisches Pferd

Eine klar gegliederte, effektive Bürokratie – wer wollte das nicht. Eine Verwaltungsreform, die uns vom Senat versprochen wird, ist deswegen längst überfällig. Statt die Menschen in verschnarchten Amtsstuben als lästige Bittsteller abzufertigen, haben die Behörden heute ein moderner Dienstleistungsbetrieb zu sein, in dem vor allem freundlicher Service und qualifizierte Bedienung Vorrang haben. Doch was jetzt von Innensenator Heckelmann auf den Tisch gelegt wird, ist ein Trojanisches Pferd, weil damit auch eine Gebietsreform und Reduzierung der Zahl der Bezirke einhergehen soll.

Damit aber wird das Gegenteil dessen erreicht, was das Stichwort Verwaltungsreform an bürgerfreundlichen Angeboten suggeriert. Wer den Frust an der Politik abbauen und das Engagement der Menschen fördern will, muß dezentrale Einrichtungen aufbauen, die nachvollziehbare Entscheidungen treffen. Eine Verschmelzung der Bezirke steht einem solchen Ziel entgegen. Anonyme Großstrukturen demotivieren die Menschen, sich für ihren Kiez einzusetzen. Zudem erzeugen Großbürokratien neue Reibungsverluste. Wo die Mitwirkungsmöglichkeiten wegbrechen, wächst zugleich die Verdrossenheit und verkommen die Wohnviertel und ihre öffentlichen Einrichtungen. Das Gegenteil hat Kreuzberg in den siebziger Jahren vorgemacht: der Aufbau kleinteiliger Kiezstrukturen hat dem von der Sanierung kahlgeschlagenen Bezirk eine neue Zukunft beschert.

Bezirke zusammenzulegen ist deswegen der falsche Weg; damit wird am Ende nur die Zentralgewalt gestärkt. Der Bevölkerung bleiben dagegen nur fremde Gebilde mit Großstadtcharakter, in denen die Rathäuser ferne, zu ferne Orte sind. Diesen Demokratieverlust kann sich Berlin nicht leisten. Im Zentrum, wo Kreuzberg, Mitte und Tiergarten zusammengelegt werden sollen, scheint es dem Senat vor allem darum zu gehen, freie Hand für die künftige Hauptstadtplanung zu bekommen. Zusammen mit dem vorgesehenen Landesbauamt wird dort jede bezirkliche Mitbestimmung bei der Gestaltung des Zentrums ausgehebelt. Diese Folgen der Verwaltungsreform aber wiegen auch ein eigener Bezirksetat und eine gewisse Finanzautonomie nicht auf. Gerd Nowakowski

Siehe auch Bericht auf Seite 23