Schwere Turbulenzen in der PLO

Führer der PLO-internen Opposition, aber auch alte Gefolgsleute von Jassir Arafat blasen zum Sturm auf den großen Vorsitzenden / Palästina-Flüchtlinge im Libanon melden sich zu Wort  ■ Von Khalil Abied

Kairo (taz) – PLO-Chef Jassir Arafat gerät zunehmend ins Kreuzfeuer der Kritik. Nach seinem Konflikt mit der Delegation aus den besetzten Gebieten kriselt es jetzt auch zwischen den verschiedenen Teilen der PLO im Exil. Gestern forderte der Chef des militärischen Flügels der Fatah im Libanon, Munir Makdah, Arafats Rücktritt. Er warf dem PLO-Chef „Verrat“ an der Unabhängigkeit der PLO vor. Er lasse sich seine Politik von Ägypten „diktieren“.

Tags zuvor hatte der PLO-Beauftragte im Libanon und Mitglied des Exekutivkomitees, Schafiq Al- Hut, seine Mitgliedschaft in diesem obersten Führungsgremium „eingefroren“, nur zwei Tage, nachdem es der populäre Schriftsteller Mahmoud Darwisch verlassen hatte. (Siehe taz vom 22.8.)

Al-Hut war 1964 Mitbegründer der PLO und gehörte zu Arafats treuesten Anhängern.

Während die Rücktrittsdrohung der palästinensischen Delegationsleitung unter Feisal Husseini die Frustration der Bevölkerung im Gazastreifen und in der Westbank deutlich machte, haben Al-Hut und Makdah jetzt das Wort für die palästinensischen Flüchtlinge im Libanon ergriffen. Ihre Belange werden in den Nahostgesprächen vollkommen ausgeklammmert – und besonders die Bewohner der Flüchtlingslager im Libanon fühlen sich vergessen.

Jassir Arafats Politik der Annäherung an israelische und amerikanische Forderungen wurde in den letzten Monaten bereits von vielen alten Gefolgsleuten und von der Opposition gegen die Fatah innerhalb der PLO kritisiert. Man wirft ihm „Alleinherrschaft“ vor; seine „politische Küche“, wie er und sein Beraterstab in der arabischen Welt genannt werden, träfen weitreichende Entscheidungen, ohne die zuständigen Institutionen vorher zu konsultieren. Der Fatah-nahe Leiter der palästinensischen Delegation in den bilateralen Verhandlungen mit Israel, Haider Abdel Schafi aus Gaza, hatte wiederholt eine umfassende Demokratisierung der Organisation gefordert. Jetzt hat auch für Arafats alte Gegenspieler von der „linken“ Opposition die Stunde zum Angriff geschlagen: Nayef Hawatmeh von der „Demokratischen Front für die Befreiung Palästinas“ (DFLP) und George Habasch von der Volksfront für die Befreiung Palästinas (PFLP), beide mit Sitz in der syrischen Hauptstadt Damaskus, stellen sich gegen eine weitere Beteiligung der PLO an den Nahostgesprächen. Hawatmeh machte Arafat gestern „für den Zusammenbruch der PLO-Institutionen“ verantwortlich. Weitere Mitglieder des Exektivkomitees dächten über einen Rücktritt nach, kündigte er an. Politische Beobachter sehen die Möglichkeit, daß Arafat seine Mehrheit im Komitee verlieren könnte.

Die schwere Finanzkrise der PLO, die während der Golfkrise mit einer Sperrung der Gelder aus den Golfstaaten einsetzte, macht Arafats Position nicht einfacher. Seit über vier Monaten haben fast 15.000 PLO-Mitarbeiter keinen Pfennig mehr gesehen. Rund 70.000 Familien, die von der PLO eine Art Sozialhilfe bezogen, weil Angehörige festgenommen oder getötet wurden, bekommen ebenfalls kein Geld mehr. In Amman demonstrierten gestern Hunderte von PLO-Angestellten gegen das Ausbleiben ihrer Gehälter.

Aus PLO-Kreisen ist zu hören, daß die USA Druck auf die Golfstaaten ausüben, der PLO die finanzielle Unterstützung weiterhin vorzuenthalten, damit diese mehr Konzessionen in den Nahostgesprächen macht. Ein führendes Mitglied der PLO, Abbas Zakki, erklärte vorgestern in Amman, die PLO sei jetzt gezwungen, Immobilien zu verkaufen, um ihr Budgetdefizit in den Griff zu bekommen. Arafats Kritiker vertreten allerdings die Meinung, daß auch die PLO-interne Verteilung der geschrumpften Finanzmittel skandalös sei.

Dem vielkritisierten Vorsitzenden scheint das alles gleichwohl nicht ungelegen zu kommen: Die Staaten, die ihn jahrelang aus jeglichen Nahostverhandlungen heraushalten wollten, müssen seine Position jetzt stärken, damit es in der kommenden Nahostrunde wenigstens zu kleinen Fortschritten kommt. Arafat weiß genau, daß er der einzige ist, der bei den Palästinensern „schmerzliche“ Beschlüsse durchsetzen kann. Er geht davon aus, daß auch Israel und die USA das wissen.