■ Serie Denk-Mal: Das Gedächtnis des Ortes, Teil 13
: Schöne Hochwasser und ihre Marken

„Des Eisgangs donnerndes Dröhnen klang/ An die schwankenden Pfähle, getürmt und schwer/ Stürmte der Schollen gespenstisches Heer/ In rasenden Strudeln, in kochender Wut/ Gelbgrau und schäumend rauschte die Flut.“ Das klingt hübsch wild und poetisch und um so vieles anschaulicher als der schlichte, prosaische Hinweis: „Es herrscht Hochwasser.“ Wasser, entgrenzt und enthemmt, das sich Straßen und Häuser einverleibt, als hätte es für sie Verwendung. Bei seinem Rückzug werden ihm, wie es an Stätten geschlagener Schlachten üblich ist, Gedenktafeln gesetzt – Hochwassermarken: Bis hierhin kam es und nicht weiter.

Mit Hochwasser kennen die Regensburger sich aus. Immer wieder macht sich die Donau auf den Weg in die Stadt. So richtig gelang es ihr das letzte Mal 1988. Doch auch nach dem dauerverregneten Juli diesen Jahres war sie schon wieder zu einer kleinen Stippvisite bereit.

„Regensburg hat die schönsten Hochwasser“, schwärmt ein Stadtarchivar. Und am schönsten treibt es das Wasser an der Steinernen Brücke. Als „Bruck zu Regenspurg,“ erwähnt sie Sebastian Münster in seiner Cosmographia aus dem Jahre 1543 und schreibt: „Anno Christi 1115 ist die Stainern Bruck daselbst vber die Thonaw gemacht worden.“

Aus der Stadtmitte heraus führt der Koloß aus Granitquadern über den Fluß, eine der ältesten Brücken in Deutschland in Bayerns ältester Stadt. Noch heute ist diese Verbindung zum anderen Ufer die wichtigste in der ganzen Innenstadt, schon vor knapp 900 Jahren so breit gebaut, daß Autos und Fußgänger zwar nicht viel, aber immerhin Platz haben.

Die Tische ziemlich nieder, die Bänke im Verhältnis zu hoch, die Küche klein und verräuchert, so liegt die „Historische Wurstkuch'l“ neben der Steinernen Brücke. Bei diesem Vorgänger der Currywurstbude verzehrten die mittelalterlichen Brückenbauer ihren „imbiz“. Winzige, würzige Würstchen vom Rost gibt es hier heute und dazu Weißbier vom Faß.

In der Gaststube an den Wänden haben die Wirte Buch geführt: über das Wasser, das hier immer wieder eingefallen ist und aus dem niedrigen Bau ein mannstiefes Schwimmbecken machte. Steinerne Täfelchen vermerken, welcher Besitzer der Kuch'l von welchem Hochwasser heimgesucht worden ist: Dezember 1882, Februar 1893, Juli 1954, Juni 1965, März 1988.

Alle paar Jahre verzeichnet die „Erste Regensburger Bauamtschronik“, die seit dem 10. Jahrhundert geführt worden ist: „Eiss vnd gross wasser schaden gethon“. Anno 1565: „Inn der nacht vmb 10 vren hueb er an gehn mit grossem gewalt... Thet derhalben grossen schadenn am mülwerg an der Stainen Pruckhen, dann das eiss stiess an den zwayen melmülenn alle wassergründl hinweg... Item die schleifmül riss es halbe hinweg... Es zerstiess auch fast alle stainene strebpfeiler an der Stainen Pruckhen.“

An den Trägern der Brücke staut sich im Winter das Eis, das die Donau in kreisenden Rudeln hinabtreibt. Es schiebt und verkeilt sich und türmt sich hoch an den Pfeilern. Wenn dann die Tauwasser die Donau herabschießen, versperren ihnen die Schollen den Weg. Flugs steigt die Flut aus dem Bett und macht sich jenseits der Ufer breit. So manche Holzbrücke hat bei diesem Ansturm ihre Joche gelassen. Das war der Hauptgrund zum Bau der Steinernen Brücke.

Hochwasser nach starkem Sommerregen gibt es hier vor allem seit dem 19. Jahrhundert. Das Flußbett wurde verengt und begradigt, die vielen kleinen Seitenarme trockengelegt. Das Wasser konnte sich nicht mehr verlaufen. Zur Strafe läuft die Donau seither noch schneller in die Stadt. Bascha Mika

Am Donnerstag: Sowjetgeschichte in Jüterbog