Vom Raubgut zur Stiftung

Von den Nazis konfisziertes Kulturgut kann künftig der „Stiftung Zurückgeben“ überlassen werden / Diese will mit Stipendien in Deutschland lebende Jüdinnen fördern  ■ Aus Berlin Anita Kugler

Als vor einigen Jahren die Mutter von Hilde Schramm starb, vermachte sie ihren Kindern drei Bilder aus dem 19. Jahrhundert. Zwei davon sind wertvoll, sie hängen heute als Leihgaben in deutschen Museen. Ihren Anteil an diesen Bildern will Hilde Schramm jetzt verkaufen und den Erlös an eine Stiftung überweisen. An eine ganz besondere, von ihr mitbegründete: An die „Stiftung Zurückgeben“, gegründet von neun Berlinerinnen, die mit diesem Geld die Arbeit von in Deutschland lebenden jüdischen Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen fördern wollen.

Hilde Schramm, Tochter des NS-Rüstungsministers Albert Speer, glaubt, daß die geerbten Bilder nicht über Generationen gehüteter Familienbesitz sind. Sie geht vielmehr davon aus, daß die Bilder einst deutschen Juden oder Antiquitätenhändlern gehörten, die ihren Besitz notverkaufen mußten, um ins Exil flüchten zu können. Denn wie lautete die Verfügung von 1935? Jüdischen Kunsthändlern ist die Ausübung ihres Berufs untersagt. Sie müssen innerhalb von vier Wochen ihr Geschäft auflösen.

Denkbar ist ebenfalls, daß die Kunstwerke von der Gestapo beschlagnahmt und später auf Auktionen zugunsten des Deutschen Reiches versteigert wurden. Denn 1939 erließen die Nazis ein Gesetz, wonach Wertsachen bei einer „Auswanderung“ nicht mitgenommen werden durften.

Viele Naziführer und Mitläufer profitierten auf sehr individuelle Weise von der Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung der Juden. Die einen erhielten zum Sonderpreis Ärztepraxen samt Kundenkartei, die anderen attraktive Wohnungen, die dritten antike Möbel. Es hat Hunderttausende von „Vernichtungsgewinnlern“ gegeben, sagt Hilde Schramm, aber daß sich auch die Nachgeborenen heute noch an konfisziertem Eigentum – etwa am „Familiensilber mit dem falschen Monogramm“ – erfreuen, will niemand zugeben.

„Es ist einfach, abstrakte Betroffenheit zu zeigen, aber sehr schwierig, den Strang zur eigenen Verwandtschaft zu ziehen“, meint Hilde Schramm, die vor einigen Jahren im Berliner Rot-Grünen- Senat unter Momper Vizepräsidentin des Abgeordnetenhauses gewesen ist. Und Birgit Rommelspacher, Fachhochschulprofessorin und wie Schramm eine der neun Beirätinnen der „Stiftung Zurückgeben“, sagt: „Wenn wir dieses Erbe annehmen, tradieren wir das Unrecht, daß ihm anhaftet.“

Im Herbst wird die Berliner Senatsverwaltung für Justiz die Stiftung offiziell als gemeinnützig anerkennen. Dann wollen die Beirätinnen und die Frauen der Initiativgruppe einen offiziellen Stiftungsvorstand wählen, der nur aus jüdischen Frauen bestehen soll.

Kandidatinnen sind bereits vorhanden. Schon im jetzigen Beirat sitzen drei Jüdinnen. So Rachel Salamander, Chefin der Münchner Literaturhandlung, die Schauspielerin Adriana Altaras und die Vorsitzende des Gemeinderats in Frankfurt, Trude Simonsohn. Die Vorstandsfrauen sollen später über die Stipendienvergabe und Projektzuschüsse entscheiden. Ziel ist es auch, den „Aufbau einer feministisch jüdisch-deutschen Kultur und Wissenschaftstradition zu fördern“. Bereits vorhanden ist, dank Hilde Schramm aber auch einiger anderen Frauen, die Antiquitäten mit unklarem Hintergrund geerbt haben, ein Stiftungsvermögen, aus dessen Zinsen etwa ein Jahresstipendium finanziert werden kann. Unklar ist sämtlichen Beirätinnen, die vor ein paar Wochen ihr Projekt erstmals der Öffentlichkeit vorstellten, wie groß die Resonanz sein wird.

„Wir wollen mit dieser Initiative keinen moralischen Druck ausüben“, sagte Birgit Rommelspacher, „sondern nur auf biographische Verstrickungen aufmerksam machen.“ Denn Schuld lasse sich nicht vererben, aber jeder müsse die Verantwortung dafür übernehmen, wie „bruchlos und unbewußt“ die Vergangenheit in der Gegenwart fortlebe. Solch edle Motive sind der Schriftstellerin Esther Dischereit eigentlich nicht so wichtig. Hauptsache sei, sagt sie, „daß es endlich eine Anlaufstelle gibt, wo man sich des Raubgutes entledigen kann“.

Stiftung Zurückgeben. Knobelsdorffstraße 33, 14059 Berlin. Konto: B. Rommelspacher, Nr. 233 692, Ökobank Frankfurt, BLZ 500 90 100