Stadtwerke versorgten ihren ÖTV-Aufsichtsrat

■ In dieser Woche: die letzten Sitzungen des Ausschusses / Czichon ließ ÖTV-Aufsichtsrat reichlich beschenken

In dieser Woche soll der Stadtwerke-Untersuchungsausschuß mit zwei Sitzungen zu Ende gehen — falls nicht doch noch neue Hinweise in der Bürgermeister-“Billigstrom“-Angelegenheit oder über die Spende der Stadtwerke an die Bonner SPD ans Tageslicht kommen. Das haben Vorabsprachen der verschiedenen Fraktionen ergeben.

Die beiden zentralen Fragen des Ausschusses sind alles andere als aufgeklärt. Warum hat Vorstand Willipinski den Bürgermeister falsch über die Abstellung seines Werktarifes informiert, so daß Wedemeier der Bürgerschaft nicht die Wahrheit sagte? Warum haben die Stadtwerke gerade in den Wochen, in denen die Bremer SPD nach der verlorenen Wahl einen Kredit an die Bonner SPD nicht zurückzahlen konnten, eine großzügige 90.000 Mark-Spende an die Bonner SPD beschlossen?

In diesen zwei „großen“ Fragen scheint nichts mehr herauszufinden zu sein — für kleine Erkenntnisse über die politische Kultur des kleinen Bundeslandes Bremen bieten die Stadtwerke-Akten jedoch noch reichlich Stoff, zum Beispiel die Seiten zum Fall „Erdt“. Horst Erdt ist für die Stadtwerke und ihren Vorstands-Chef ein wichtiger Mann: Der Sekretär der Kreisverwaltung der ÖTV ist Mitglied im Aufsichtsrat. Die Beziehung zwischen den Arbeitnehmer-Aufsichtsräten und dem Chef Czichon war in den vergangenen Jahren besonders brisant: Vorstandsmitglied Czichon wollte sich zum „Vorsitzenden“ machen lassen. Am 31.10.1988 scheiterte er am „Nein“ der Arbeitnehmer- Bank, ein dreiviertel Jahr später hatte Czichon es geschafft: Die Abeitnehmervertreter stimmten für ihn.

Was diesen Umschwung motiviert hat, wissen wir nicht. Der Hinweis soll nur zeigen: Das Verhältnis des Vorstandes Czichon zu seinen Arbeitnehmer- Aufsichtsräten ist nicht ohne Brisanz.

In diesem Lichte muß man die nebenstehend faksimilierte handschriftliche Notiz Czichons interpretieren. „betr.: Photo- Voltaik. Unser AR-Mitglied Horst Erdt“, schreibt Czichon da, „fragte mich, ob wir ihn bei Nutzung P-V für sein Reisemobil beraten können.“ Czichon an den Mitarbeiter des Kundeszentrums Sögestraße: „Vermutlich haben wir auch eine geeignete Solarzelle, die bei uns überflüssig ist und die wir Herrn Erdt (kostenlos?) zur Verfügung stellen können. Danke! Czichon“.

So ein handschriftlicher Text ist für jeden Mitarbeiter eindeutig als Wunsch des Chefs lesbar. Alte Solarzellen waren aber

Betr. Photovoltaik:

„...eine geeignete Solarzelle, die bei uns überflüssig ist und die wir Herrn Erdt (kostenlos?) zur Verfügung stellen können.

Danke! Czichon, 5.4.1988“

nicht vorhanden, also wurden sechs neue bestellt — nicht von oder für Erdt, sondern ohne Angabe des Verwendungszwecks vom „Kundenzentrum Sögestraße“ der Stadtwerke. Zubehör, Montage am Reisemobil — wer bei einer normalen Firma sowas bestellt, muß dafür gut 5.000 bezahlen. Das war alles 1988.

Anfang 1992 ging Erdt den direkten Weg zu dem Mitarbeiter des Kundenzentrums. „Herr Erdt, Aufsichtsrat unseres Unternehmens“, schreibt der Mitarbeiter in einem ordentlich maschinenschriftlichen Vermerk an Czichon „persönlich“, „hat mir mit

hierhin bitte den

Brief

Hinweis auf ein Gespräch mit Ihnen um die Beschaffung von 2 Stück Photovoltaik-Paneelen gebeten.“ Der Mitarbeiter fügt vorsorglich hinzu: „Alte Paneelen sind nicht vorhanden“. Und: „Wie soll in dieser Angelegenheit verfahren werden?“

Die Antwort des Vorstandsvorsitzenden fiel diesmal etwas weniger großzügig aus: „1 Stück zu Lasten H. Erdt“ und „1 Stück als Geschenk zum 50. Geburtstag (am 26.1.92)“...

Aufsichtsrat Erdt war gestern für eine Stellungnahme nicht zu erreichen — er ist in Urlaub gefahren. K.W.