Schwere Vorwürfe gegen die Polizei

■ BesetzerInnen der durchsuchten Pfarrstraße 88 enttarnen angebliches Falschgeld als Spielgeld / Lichtenberger Bürgermeister Mucha fordert weitere Verhandlungen

Hat die Polizei durch gezielte Falschinformationen Stimmung gegen ein besetztes Haus gemacht? Dies jedenfalls behaupten die BewohnerInnen der Pfarrstraße 88, deren Haus am Wochenende von einer Hundertschaft Polizei durchsucht wurde. Angeblicher Grund der Aktion: ein Raubüberfall in der im Haus gelegenen Kneipe, bei dem sich der Täter in die Wohnungen geflüchtet haben soll (taz berichtete). Außerdem, so die Polizei in einer ersten über Agenturen verbreiteten Stellungnahme, seien Falschgeld in Höhe von 600 Mark sowie Funkgeräte und Funktelefone sichergestellt worden. Klarer Schluß der Polizeipressestelle: autonome Kommandozentrale. Ebenso klar war die Forderung der CDU: Räumung!

Auf einer Pressekonferenz der BewohnerInnen entpuppte sich gestern das angebliche Falschgeld als Spielgeld. Unzählige dieser 100-Mark-Scheine, einfarbig, überformatig und unsauber auf hellgrünes Papier kopiert, seien, so ein Besetzer, in der Vergangenheit auf Anti-Olympia-Demos verteilt worden, um auf die Geldverschwendung der Olympiabewerbung hinzuweisen.

Für die Besetzer steht fest, daß es sich bei der Hausdurchsuchung um eine gezielte Aktion handelte, die dazu dienen sollte, das Haus zu kriminalisieren und zu einem späteren Zeitpunkt zu räumen. So sei die Einsatzbereitschaft, die die Durchsuchung vorgenommen habe, bereits eine Stunde vor dem Vorfall in der benachbarten Marktstraße gesichtet worden. Außerdem, so die Besetzer, sei es den Beamten bei der Durchsuchung gar nicht um die Identifizierung Tatverdächtiger gegangen, sondern darum, das Haus zu filmen und zu fotografieren und mit Hilfe der Ebag den Strom abzustellen. Der Polizei wird weiterhin vorgeworfen, 1.000 Mark aus Privaträumen entwendet zu haben. Der Vorfall selbst, den die Polizei zum Anlaß der Durchsuchung nahm, habe sich nicht im Haus, sondern auf der Straße abgespielt. Der mutmaßliche Täter sei nicht im Haus, sondern auf der Straße festgenommen worden. Die BesetzerInnen kündigten an, noch in dieser Woche Strafanzeige gegen die Polizei wegen Diebstahls und Verleumdung einzureichen.

Unterdessen wandte sich der Lichtenberger Bezirksbürgermeister Gottfried Mucha (Bündnis 90) gegen eine Kriminalisierung der Besetzer und forderte, weiterhin über eine Legalisierung der besetzten Häuser in der Pfarrstraße zu verhandeln. Mucha zur taz: „Es gibt sicher eine interessierte Seite, die versucht, diesen Vorfall hochzuspielen, um bei der Politik Handlungsbedarf zu schaffen.“ Uwe Rada