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Wo die Clintons Urlaub machen Von Andrea Böhm

Bei allem Bösen, das die US- Presse gerne über ihren Präsidenten ausschüttet, machen sich die Journalisten auch Sorgen um dessen physische Verfassung. Der Mann macht zwar auf den ersten Blick einen enorm robusten Eindruck, aber seine Eßgewohnheiten und sein Workoholismus gelten allgemein als potentielles Risiko für die nationale Sicherheit. Jetzt macht der Mann endlich richtig Urlaub – das erste Mal nach vier Jahren. Die Nation atmet auf, weil der Präsident sich entspannt. Gleichzeitig zermarterten sich die Reporter Hirn und Telefon, um herauszufinden: Wo, in Gottes Namen, fährt er mit Hillary und Chelsea bloß hin? Der hat ja keinen Landsitz wie die Kennedys in Hyannis Port oder die Reagans in Kalifornien oder das Ehepaar Bush in Kennebunkport. Bevor die Journaille neue Maßstäbe im investigativen Journalismus setzen mußte, war es heraus: Die Clintons ruhen sich auf Martha's Vineyard aus. Prominente und Intellektuelle (Schnittmenge eher klein) stöhnten auf.

Martha's Vineyard ist nicht irgendein Urlaubsort, sondern eine exklusive kleine Insel vor der Küste von Massachusetts und seit Jahrzehnten traditionell der Ferientreff für VIPs mit Hausbibliothek und einer Vorliebe für Woody-Allen- Filme und liberale Ansichten. Früher sollen hier sogar Marxisten am Strand gelegen haben. Heute ist die Mischung etwas bunter: Hier radeln die Kissingers Jackie Onassis über die Füße, Carly Simon trifft James Taylor in der Eisdiele, Lawrence Eagleburger kann mit Cyrus Vance über das Desaster der Bosnien-Politik sinnieren und Spike Lee über das „fucking white establishment“ in Hollywood fluchen.

Jetzt tun sie alle fürchterlich genervt, weil sie sich von der Anwesenheit des Präsidenten und seines Secret Service in ihrem Dasein als Sommer-Bohemians gestört fühlen. In Wirklichkeit beherrscht nur ein Thema den Cocktail auf der Veranda: „Kommt er zu meiner Party, oder geht er wieder zu Jackie oder zu Katharine Graham?“

Die First Family hat es sich in einer spartanisch einfachen Holzbehausung von Ex-Verteidigungsminister Robert McNamara bequem gemacht, denn Hotels gibt es nicht in dieser Urlaubs-Aristokratie. So ruht sich der ungediente Vietnamkriegsgegner im Bett des Kriegstreibers aus und kann auf diese Weise quasi im Schlaf ein bißchen Eindruck im Pentagon schinden.

Die ehrenvolle Aufgabe des Gastgebers für die präsidiale Geburtstagsparty (47 Jahre ist er nun alt) durfte Vernon Jordan übernehmen, der ihm schon bei der Auswahl der Kabinettsmitglieder behilflich gewesen ist. Bis in den frühen Morgen soll man sich vergnügt haben, weiß die Zeitschrift Time zu berichten. Und Hillary soll ihre Ansprache mit den Worten „I love you, Mister President“ geschlossen haben. „Happy Birthday, Mr. President“ hätte sie singen sollen. So wie Marilyn Monroe für John F. Kennedy. Die hatte damals allerdings im Gegensatz zu Hillary kräftig einen im Tee.

Womit wir bereits bei den Toten wären. Auch davon gibt's Prominente auf dem Friedhof von Martha's Vineyard. Allen voran John Belushi. Der taucht nur nachts auf, wenn alle anderen schlafen, zieht sich eine Prise Koks in die Nase und lacht sich schief über den Präsidenten, der immer noch behauptet, er hätte zwar am Joint gezogen, aber nie inhaliert.

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