■ Das Portrait
: Salah Dschedid

Einst Stabschef der syrischen Armee Foto: taz-Archiv

Erst der Tod befreite ihn aus der Gefangenschaft: Salah Dschedid, einst der starke Mann Syriens. Im November 1970 wurde er in einem unblutigen Putsch von seinem früheren Kampfgefährten und jetzigen Staatschef Assad gestürzt. Dieser Staatsstreich heißt heute offiziell „Korrekturbewegung“. Dschedid kam ins Militärgefängnis von Mezze in Syriens Hauptstadt Damaskus. Dort starb er am letzten Donnerstag im Alter von 67 Jahren.

Ein Prozeß wurde ihm nie gemacht. Kaum ein politischer Gefangener flößte Assads Geheimdienst-bewachtem Regime mehr Angst ein als Dschedid. Er war Mitglied der herrschenden Baath-Partei wie Assad und gehörte wie er zur religiösen Minderheit der Alawiten. Aber anders als Assad verkörperte er für viele Syrer die alten Ideale der Baath-Partei: Sozialismus, Unabhängigkeit und Gerechtigkeit, die sie durch Assads Regime verraten sehen. 1966 war Dschedid selbst durch einen Putsch gegen die rechte Baath-Führung um Michel Aflaq an die Macht gekommen; damals war er Stabschef der Armee.

Obwohl eigentlich der starke Mann im Lande, begnügte er sich mit dem Amt eines Vize-Parteisekretärs. Frustriert vom Westen und vom Mißerfolg des ägyptischen Nasserismus suchte er einen „syrischen Weg“ zum Sozialismus. Er verstaatlichte die Industrie und entließ „reaktionäre Elemente“ aus dem Staatsdienst, wozu Großgrundbesitzer für ihn ebenso zählten wie Nasseristen und rechte Baathisten. Die Staatslimousinen wurden durch VWs und Peugeots ersetzt. Arme Bauern erhielten Land, und die Regierung sorgte für eine weitgehende Gleichstellung der Frauen. – Auch im Privatleben blieb Dschedid seinen Idealen treu. Er lebte in einer bescheidenen Wohnung. Morgens kam er als erster ins Büro und verließ es abends als letzter. Aber mit seinem revolutionären Eifer machte er sich Feinde. Auch die konservativen arabischen „Bruderstaaten“ wollten ihm die Solidarität in der Konfrontation mit Israel aufkündigen. – Mehrfach bot das Assad-Regime Dschedid die Haftentlassung an. Die Bedingung: Er dürfe nie wieder politisch aktiv werden. Er lehnte ab. „Sollte ich je wieder an die Macht kommen“, schwor er seinem Feind Assad, „wirst du durch die Straßen geschleift, bis du stirbst.“ Dazu wird es nicht kommen. Leila Burhani