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Südafrikas ANC ringt mit seiner Vergangenheit

■ Zögerlich arbeitet Südafrikas Anti-Apartheid-Organisation Folter und Willkür in ANC-Militärlagern auf / Die Verantwortlichen bekleiden heute hohe Ämter

Johannesburg (taz) – „Napalm“ hieß die Folter, bei der Gefangene sich nackt auf Pflanzenblättern umherrollen mußten, die Juckreiz verursachen. Beim „Helikopter“ wurden sie an Händen und Füßen stundenlang an einer Stange aufgehängt. Beim „Pompa“ mußten sie die Backen aufblasen – ein Wächter schlug dann mit beiden Händen zu und verursachte heftige Schmerzen im Ohr. Drei Foltermethoden, die nach dem Bericht der am Montag vorgelegten Motsuenyane-Kommission in den 80er Jahren in Gefangenenlagern des südafrikanischen „Afrikanischen Nationalkongresses“ (ANC) in Angola an der Tagesordnung waren. Die damalige ANC-Führung wußte von den Zuständen, schließt der Bericht, unternahm aber nicht genug zu ihrer Beseitigung.

Jacob Zuma, gegenwärtig stellvertretender ANC-Generalsekretär, und Joe Modise, der Chef des bewaffneten ANC-Flügels „Speer der Nation“ (MK) sind zwei der derzeitigen Führungsmitglieder, denen in dem 180 Seiten umfassenden Bericht namentlich Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden. Zuma soll an der ungerechtfertigten zehnmonatigen Verhaftung eines ANC-Mitglieds beteiligt gewesen sein. Modise wird wegen des gleichen Verhaltens kritisiert: Das ANC-Mitglied Dumisani Charlton Oupa Khosa wurde von Modise mit einer Gruppe von 15 anderen Gefangenen wenige Minuten nach Beendigung einer brutalen Vernehmung abgeholt. Er konnte zu dem Zeitpunkt nicht mehr gehen und urinierte Blut.

Der Bericht empfiehlt der ANC-Führung, alle Beschuldigten, die gegenwärtig Ämter besetzen, vorzuladen und Disziplinarverfahren gegen sie einzuleiten. Aber auch das Verhalten von Vorgesetzten während der 80er Jahre soll überprüft werden. Einer der Hauptbeschuldigten ist Mzwai Piliso, unter dessen Führung die Sicherheitsabteilung „Mbokodo“ („Mühlstein“) eine Terrorherrschaft in ANC-Lagern in Angola ausübte. Schon die bloße Kritik an dem Sicherheitsapparat konnte zur Verhaftung führen, wie der heutige ANC-Sprecher Pallo Jordan damals am eigenen Leib erfuhr.

Piliso fungiert heute als Chef der ANC-Personalabteilung, und einige der „Mbokodo“-Schergen, die in dem Bericht beschuldigt werden, arbeiten heute wieder im Sicherheitsapparat des ANC. Ein ANC-Mitglied, das 1984 wochenlang mit seiner täglichen Hinrichtung durch „Mbokodo“ rechnete, sagte der taz: „Sie wurden nach dem Mord an Chris Hani im April wieder eingestellt.“ Nach der Ermordung des Kommunistenführers durch drei Rechtsradikale sah sich die Organisation gezwungen, den Schutz der eigenen Funktionäre zu verstärken – mit allen Mitteln.

Just Chris Hani war es, der 1992 die ANC-interne Diskussion über Menschenrechtsverletzungen in Gang setzte. Er plädierte dafür, den Mantel des Schweigens zu lüften, der jahrelang über eine Meuterei von ANC-Kämpfern in Angola gebreitet wurde. Sie hatten 1984 gegen ihre schlechte Behandlung protestiert, die Anführer wurden schließlich im Lager „32 Quadro“ eingekerkert – ein, so der Bericht der Untersuchungskommission, „Hell Hole“ (Höllenloch), in dem Gefangene verrotten sollten. Die Anti-Apartheid-Organisation gestattete trotz mehrfacher Anfragen dem Internationalen Roten Kreuz nie, die Lager zu besichtigen. Dies galt auch für ähnliche Einrichtungen in Tansania.

Ein Beispiel für de Klerk?

Die daraufhin eingesetzte Untersuchungskommission, bestehend aus dem Geschäftsmann Sam Motsuenyane, dem Anwalt David Zamchiya aus Simbabwe und der ehemaligen US-Richterin Margaret Burnham, bemühte sich zudem um die Aufklärung des Schicksals von 29 verschwundenen oder toten ANC-Mitgliedern. Aber auch ihre Arbeit konnte in mehreren Fällen keine endgültige Klarheit verschaffen. So der Tod von Thami Zulu im November 1989 nach 14monatiger Haft: Der Untersuchungsbericht kommt zu dem Ergebnis, daß er ohne ausreichenden Verdacht, ein Spion der Regierung zu sein, festgehalten wurde. Sein Tod war nach ärztlichen Untersuchungen auf eine Kombination von Aids, Tuberkulose und Vergiftung zurückzuführen.

Etwas mehr Licht dürfte nun in ein dunkles Kapitel der ANC-Geschichte fallen, das sich auf die teilweise hysterische Furcht vor Infiltration durch südafrikanische Sicherheitskräfte gründete. Der ANC hofft auch, der südafrikanischen Regierung von Präsident de Klerk Munition für den Wahlkampf zu entziehen. Denn die Regierung war bisher nicht bereit, ähnliche Aufklärung in den eigenen Reihen zu betreiben.

Die ANC-Führung muß allerdings nun entscheiden, wie weit sie den Selbstreinigungsprozeß treiben will. Ein schwieriges Thema, wie am Montag auch die trickreichen Manöver von ANC-Generalsekretär Cyril Ramaphosa bewiesen, mit denen er Widerstand gegen die Vergangenheitsbewältigung in der eigenen Organisation umging. Er nannte bei der Vorstellung des Berichts keine Namen und las nur die abschließenden Empfehlungen vor. Willi Germund

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