„Wir haben Eyadema satt“

Togos Diktator wird die heutigen Wahlen dank massiver Manipulationen gewinnen / Opposition boykottiert, Bevölkerung denkt an Flucht / Empörte deutsche Wahlbeobachter  ■ Aus Lomé Ludwig Sarasin

Kann Togo noch wählen? Eigentlich sollen heute in dem kleinen westafrikanischen Land die ersten freien Präsidentschaftswahlen stattfinden. Doch das Oppositionsbündnis COD II („Kollektiv der demokratischen Opposition“) und sein Kandidat Edem Kodjo, ein ehemaliger Generalsekretär der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU), haben ihre Teilnahme abgesagt. Jetzt kandidieren nur der seit 1967 als Diktator herrschende Gnassingbe Eyadema und zwei „Zählkandidaten“, die dem Präsidentenlager zugerechnet werden. Die Opposition hat zum Wahlboykott aufgerufen.

Ein Aufschub von vier Tagen, wie ihn die Nationale Wahlkommission wünschte, um aufgeblähte Wahllisten zu korrigieren und nichtregistrierte Wähler zu erfassen, wurde vom Präsidenten und seiner Regierung abgeschmettert. Auch ein Vermittlungsvorschlag des amerikanischen Ex-Präsidenten Jimmy Carter, der seit Sonntag in Lomé ist, die Wahl um elf Tage zu verschieben, stieß auf taube Ohren. Der Großteil der etwa 100 internationalen Wahlbeobachter hat seine Konsequenzen gezogen: 20 US-Wahlbeobachter kommen nicht, die Experten vom „National Democratic Institute“ aus Washington haben Togo am Montag verlassen.

Die acht deutschen Beobachter haben ebenfalls ihre Teilnahme an der Wahlbeobachtung abgesagt. „Eine Wahl ohne Opposition brauchen wir nicht zu legitimieren“, meint einer. Es bedürfe noch mehrerer Wochen, um die Wahl korrekt zu gestalten. Die französische Delegation bleibt, ist aber gespalten. Für sie wird es in Lomé gefährlich, sollte sie, wie gestern angekündigt, an ihrer Wahlbeobachtung festhalten. Bei einer Demonstration der Opposition am Montag war die Wut gegenüber den Franzosen – die Eyadema lange militärisch gestützt haben – offensichtlich: „Wir werden sie töten, wenn sie Eyadema zur Wahl verhelfen“, skandierten aufgebrachte Demonstranten.

Seit dem Treffen von Ouagadougou in Burkina Faso am 12.Juli, bei dem sich die togoische Exil-Opposition mit einer Eyadema-nahen Delegation auf den 25. August als Wahltermin verständigte, verzögerte sich die Organisation der Wahl erheblich. Was zunächst als administrative Schwäche aussah, roch immer mehr nach massivem Betrug: Die Verwaltung gab mehrere hunderttausend Wahlkarten zuviel aus – manche Togoer besitzen nicht eine, sondern zwei oder fünf Wahlkarten, etliche Minderjährige sind als Wähler registriert. Die Opposition behauptet, daß 400.000 überzählige Wahlkarten in Togo existieren. Tatsächlich sind offiziell weit über zwei Millionen Wähler registriert. Von den rund 3,6 Millionen Einwohnern sind aber nur knapp die Hälfte im wahlfähigen Alter.

Gleichzeitig waren viele gar nicht registriert und hatten erhebliche Schwierigkeiten, Wahlkarten abzuholen und zum Wählen zugelassen zu werden. In Bè, einem der Opposition zugeneigten Viertel in Lomé, sollen fast nur Eyadema- Anhänger auf den Wahllisten stehen. In den Nachbarländern Benin und Ghana sollen Wahlkarten zusammen mit gültigen togoischen Ausweisen verteilt worden sein. Und die unauslöschbare Tinte, die die Wählenden am rechten Daumen kennzeichnen soll, läßt sich einfach mit Seife wegwaschen. Der populärste Oppositionsführer, Gilchrist Olympio, wurde vom Obersten Gericht gar nicht zur Wahl zugelassen: Das von französischen Ärzten ausgestellte Gesundheitszeugnis des Exilpolitikers wurde nicht anerkannt.

Wozu wählen, wenn doch nur betrogen wird?

So sind die Togoer jetzt nicht nur in der Hauptstadt, sondern auch in kleinen Dörfern und Provinzstädten frustriert und wütend. „Ich habe keine Lust, zu wählen“, meint ein Bauer. „Wir wollen den Wechsel, wir haben Eyadema satt.“ Wozu solle er wählen gehen, wenn betrogen werde? In der Tat lagen noch am Montag Stapel nicht abgeholter Wahlkarten in den Wahllokalen herum. „Wir wollen wählen, aber die Wahl muß transparent und frei sein. Die Wahl muß verschoben werden“, fordern viele auf Kundgebungen. In der Hauptstadt Lomé hat die Opposition in den letzten Tagen mehrere Demonstrationen mit Tausenden von Teilnehmern organisiert.

„Die Leute haben noch Angst“, erinnert ein junger Demonstrant an das Massaker vom 25. Januar dieses Jahres, als die Militärs über 20 Menschen töteten. Wegen der internationalen Militärbeobachterpräsenz – Frankreich hat 70 Soldaten im Einsatz – und der noch im Land befindlichen Wahlbeobachter soll sich die Sicherheitslage jetzt verbessert haben. Die über 300.000 Togoer, die Ende Januar aus Angst vor der eigenen Armee nach Benin und Ghana flohen, sind aber bisher nur partiell zurückgekehrt. Manche kommen nur tagsüber aus dem nahen Ghana nach Lomé zum Arbeiten. Viele rechnen mit Unruhen, wenn Eyadema die Wahl gewinnt. Beunruhigt zeigte sich eine Oppositionelle wegen der in den letzten Tagen wieder verschärften Militärkontrollen in der Stadt.

So wird Eyadema heute auf jeden Fall wieder „gewählt“ werden – wenn auch nur von einem geringen Anteil der Bevölkerung. Das werden viele Togoer nicht akzeptieren. Viele fürchten eine diktatorische Restauration des Eyadema- Regimes durch einen durch die Wahl „geläuterten“ Eyadema. Im schlimmsten Fall werden Proteste und die entsprechende Reaktion der Militärs zu Unruhen und zu Blutvergießen führen.

Im besten Fall werden die Togoer wieder mit den Füßen abstimmen. Die Grenze zu Ghana ist nur einen Katzensprung von Lomé entfernt. „Wir sind bereit“, hört man überall, „das Land wieder zu verlassen.“