Bremer GdP-Schulz: „Springflut der Kriminalität“

■ Broschüre des SPD-Mannes Schulz (Gewerkschaft der Polizei) stößt auf Protest bei Senator und SPD

„Heute wendet sich einmal Ihre Polizei mit einem Notruf an Sie“, so beginnt eine Broschüre der Gewerkschaft der Polizei. Titel: „Freie Hansestadt Bremen - Kriminalitätshauptstadt“. Mit umfangreichem Datenmaterial soll darin der Nachweis geführt werden, daß Bremen sich „zu einem Oberzentrum des Verbrechens und der Gewalt entwickelt“ hat. Straftaten würden verharmlost und bagatellisiert, die „Springflut der Kriminalität hat uns erreicht und bedroht unsere gesamte Gesellschaft.“

Zweck der Veranstaltung: der Bremer GdP-Vorsitzende Hans Schulz will politischen Druck auf den Senat für Neueinstellungen bei der Polizei produzieren. „Die Polizei wird von der Politik allein gelassen. Sie hat viel zu wenig Personal und ist hoffnungslos technisch unterlegen... die Polizei schafft es nicht mehr!“

Eine erste Kurzanalyse aus dem Innenressort kommt zu einem fatalen Ergebnis: In die 24seitigen Broschüre haben sich rund 20 nackte Fehler, schlicht falsche Behauptungen eingeschlichen. Zwar sei die Entwicklung der Kriminalität „besorgniserregend“, aber „die Dokumentation ist ... unsauber recherchiert und in der Aussage streckenweise falsch.“ Sie sei ein „propagandistisches Machwerk“ und rufschädigend für Bremen, erklärte Innensenator Friedrich van Nispen (FDP) gestern. Im Einzelnen:

-Die GdP behauptet, daß die Kriminalität in Bremen in den jahren 1972 bis 1992 um 216% angestiegen sei. Korrekt müßte es heißen: Um 116%. Die Gewerkschaft hat den anstieg von 44.976 auf 97.540 Fälle schlicht falsch ausgerechnet.

-Die GdP behauptet, daß „in keiner anderen Stadt ... so viele Fahrräder gestohlen werden wie an der Weser“. Das ist falsch. Bremen liegt mit ca. 10.000 Fällen hinter Berlin und Hamburg. (37.000 bzw. 21.000).

-Die GdP behauptet, daß 1992 2.910 Menschen in den alten Bundesländern „durch die Hand eines Verbrechers“ starben. Falsch, sagt die Behörde: Gestorben sind 898 Menschen, die Zahl 2.910 bezieht auch den Versuch der Delikte mit ein.

-Die GdP spricht von 153 Vergewaltigungen im Jahr 1991. Darin, so die Innenbehörde, seien auch 67 versuchte Vergewaltigungen gezählt worden.

Gespickt ist die Broschüre mit faksimilierten Überschriften aus der lokalen Tagespresse, Fazit des Sozialdemokraten Schulz: „In einer Zeit, in der private Sicherheitsunternehmen in der Bundesrepublik Milliarden verdienen, toleriert der Senat eine Zweiklassengesellschaft, zum einen käufliche Sicherheit für Reiche rund um die Uhr, zum anderen Schutz durch eine personell heruntergewirtschaftete Polizei.“

Schulz, der die Broschüre auf einer Pressekonferenz vorstellte, erntete gestern noch Prosteststürme aus den Parteien. „Unverantwortliche Panikmache“ warf ihm der Fraktionsvorsitzende der SPD, Claus Dittbrenner, vor. Schulz spiele zynisch mit der Angst der Menschen und instrumentalisiere sie für seine Zwecke.

Auch die FDP beschwerte sich gestern über die „Dokumentation“. Mit ihrer undifferenzierten Analyse von nicht- deutschen Straftätern werde die Ausländerfeindlichkeit im Lande geschürt. in der Dokumentation heißt es u.a.: Zwischen den Jahren 1984 und 1992 sei die beteiligung deutscher Tatverdächtiger an Delikten zurückgegangen, während die der Ausländer rasant gestiegen sei. „Sie kommen nicht nur aus Deutschland, sondern aus aller Welt: kurdische Rauschgift-Deale, polnische Autoschieber, nordafrikanische Taschendiebe, rumänische Ladendiebe, schwarzafrikanische Sozialhilfebetrüger, arabische Waffenhändler.“ mad