„Walter, wir danken dir“

DFB-Pokal, 2. Runde: Hertha BSC – Hamburger SV 3:5 nach Verlängerung / Hertha-Torwart Junghans schon wieder Tor des Monats  ■ Aus Berlin Matti Lieske

Von der 38. Minute an hatte Hertha-Torwart Walter Junghans auch den HSV-Fanblock voll hinter sich. „Walter, wir danken dir“, johlten die Hamburger begeistert, nachdem der 34jährige den Grundstein dafür gelegt hatte, als erster Keeper zweimal hintereinander zum Tor des Monats gewählt zu werden. Hatte es beim ersten Mal noch der Mithilfe seines Mannschaftskameraden Frank Rohde bedurft, der eine Rückgabe so raffiniert zum Hoppeln brachte, daß Junghans glatt über den Ball säbelte, war der Unglücksrabe diesmal ganz allein eigentorverantwortlich. Einen Eckball des Bulgaren Jordan Letschkow, dem Mann mit der durchtriebensten Frisur der Bundesliga, fischte Junghans völlig unbedrängt aus der Luft. Als 20.700 Zuschauer, ein Schiedsrichter, 21 Spieler und er selbst glaubten, daß er den Ball fest im Griff habe, flutschte ihm das Leder plötzlich aus der Hand, prallte ans Bein und trudelte von dort ins Tor. Das Spiel, das Hertha nach 15. Minuten schon gewonnen zu haben schien, stand auf einmal 3:2 für den HSV.

„Im Abwehrzentrum ist der Hamburger SV nicht souverän“, hatte Hertha-Coach Günter Sebert vor der Partie scharfsichtig analysiert und er behielt vollkommen recht. Libero Michael Kostner, der selbstüberschätzteste Spieler des Landes, bewegte sich mit der Behäbigkeit einer berauschten Drohne, und Sven Demandt sowie der wegen seines Übergewichtes oft geschmähte Frank Schmöller rannten den HSV-Verteidigern immer wieder auf und davon. In der 8. Minute köpfte Schmöller das 1:0 für die schnell und präzise konternden Berliner, in der 15. Minute wurde Kostner von Amateur Oliver Schmidt im direkten Duell zum Tanzbären degradiert und der Pokalheld der letzten Saison schoß ungestört das 2:0.

Der überheblich gestartete HSV wirkte verwirrt und hilflos, bei seinen Fans machte sich frühe Verzweiflung breit und Hertha hatte weitere gute Chancen. Lediglich Thomas von Heesen behielt die Nerven. Mit einem 20-Meter- Schuß traf er in der 29. Minute zum 1:2 und wunderte sich hernach: „Aus dieser Entfernung komme ich mit dem rechten Fuß eigentlich nicht mal bis zum Tor.“ Der Gegentreffer stürzte die Gastgeber in sofortige Panik, Hamburgs neuer Liebling Valdas Ivanauskas stürmte immer wuchtiger, die Herthaner behalfen sich mit Fouls und Ivanauskas köpfte nach einem Freistoß den Ausgleich (36.). Dann kam Walter, warf das 2:3 und Herthas Schicksal schien besiegelt.

Zur Überraschung aller konnte der Zweitligist jedoch in der 56. Minute durch den eingewechselten Gries ausgleichen, dann ging beiden Teams die Luft aus. Das Spiel schleppte sich mühselig in die Verlängerung, ein Elfmeterschießen war zu befürchten, doch dann stand Karsten Bäron in der 108. Minute plötzlich völlig frei vor Junghans und es hieß 4:3. Ein wunderschön gefühlvoller Stupfer des wahrhaft beeindruckenden Ivanauskas zum 5:3 (112.) beendete den letzten Ansturm der Herthaner, das Publikum klatschte trotzdem freundlich Beifall und der abwehrschwache HSV hatte, Walter sei Dank, doch noch die nächste Pokalrunde erreicht.