■ Waigel präsentierte seinen Subventionsbericht – daß die meisten Zuschüsse nur Zusatzgewinne sind, steht nicht drin: Die Ausweitung des Unsinns
Der neueste Bericht aus dem Hause Waigel über die Finanz- und Steuerhilfen an Unternehmen ist ein Spiegelbild der deutschen Wirtschaftspolitik. Nur auf den ersten Blick sieht es so aus, als ob die Regierung in Bonn im dritten Jahr der Einheit begriffen hätte, daß die Probleme in Ostdeutschland doch nicht aus der Portokasse zu finanzieren sind. Die Subventionen für ostdeutsche Unternehmen wurden fast verdoppelt, so der Bericht, während im Westen rund ein Viertel der Zuschüsse gestrichen wird. Aber das ist nicht einmal die halbe Wahrheit.
Zwei Drittel aller westdeutschen Subventionen tauchen in dem Bericht nicht auf, vor allem bei Stahl, Kohle und in der Landwirtschaft fließen Milliardensummen unter falschen Namen. Was die Bundesregierung im Subventionsbericht alljährlich zugibt, ist in der Regel nur ein Drittel aller Subventionen. Und was nicht als Subvention auftaucht, wird erfahrungsgemäß auch nicht gekürzt.
Während die Regierung bei Arbeitslosengeld, Sozialhilfe und Kindergeld munter drauflosstreicht, traut sie sich an die Stütze für die Wirtschaft nicht heran. Die einzige echte Einsparung im Subventionsbericht sind die fünf Milliarden an Berlin- und Zonenrandförderung, die gestrichen werden. Das war zwar längst fällig, trifft aber auch nur zum Teil die Unternehmen. Dabei haben die meisten Zuschüsse längst ihren Sinn verloren, nämlich Betrieben oder Branchen über eine Durststrecke zu helfen und sie bei der Anpassung an veränderte Marktstrukturen zu unterstützen. Der überwiegende Teil der Subventionen wird von den Unternehmen längst als Zusatzeinkommen verbucht, auf das sie ein Recht zu haben glauben. Zwei Drittel aller Steuervergünstigungen wurden vor mehr als 20 Jahren eingeführt. Und kein Finanzminister hatte den Mut, sie wieder abzuschaffen. Selbst die ökonomische Zwangslage, in der sich die Bundesrepublik seit der Vereinigung befindet, reicht offensichtlich nicht aus, um den Finanzminister zum überfälligen Ausmisten zu bewegen.
Im Gegenteil: Der so stolz verkündete Subventionszuwachs an ostdeutsche Unternehmen schafft neue Altlasten. Mit einem wirtschaftspolitischen Konzept hat das nichts zu tun. Die wenigsten Zuschüsse dienen dazu, zukunftsträchtige Branchen zu fördern oder gar den Aufbau einer Industrie sinnvoll zu steuern. Das meiste Geld fließt schlicht in dieselben Problem-Branchen wie im Westen. Ob Stahl, Kohle oder Landwirtschaft, was der Staat den Betrieben in Bayern oder Hessen zusteckt, kann er in Sachsen oder Mecklenburg nicht verweigern. Anstatt im Westen den ökonomischen Unsinn einzuschränken, wird er aus Gründen der Gerechtigkeit auch in Ostdeutschland neu installiert. Alois Berger
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