„Identifikation mit den Brandstiftern“

■ Ignatz Bubis, Vorsitzender des Zentralrats der Juden, zu Dolgenbrodt

taz: Herr Bubis, in Dolgenbrodt stehen die Einwohner im Verdacht, Rechtsradikale angeheuert zu haben für einen Anschlag auf das Asylbewerberheim.

Ignatz Bubis: Noch ist die Sache ja ein wenig unklar. Aber völlig unabhängig davon ist die Äußerung der Ex-Bürgermeisterin ein Skandal. Sie sagte gegenüber dpa, daß sie die Geschichte zwar nicht glaube, aber „immerhin sei das Problem dadurch erledigt worden“. Damit identifiziert sie sich mit den Brandstiftern. Das ist ein unmöglicher Vorgang, ganz unabhängig davon, ob Geld geflossen ist. Solche Äußerungen von Komunalpolitikern sind unerträglich.

Glauben Sie, daß die Stimmung im Lande eine solche Aktion wahrscheinlich erscheinen läßt?

Die Stimmung ist vorhanden. Da kommen wir nicht drum herum, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Gerade konnte diese Stimmung in Fulda beobachtet werden, beim Aufmarsch der Rechtsradikalen.

Alltagssymptom Rechtsextremismus?

Überall heißt es, das sei alles spontan, nicht organisiert, und da stehe nichts dahinter. Solche Einschätzungen machen mir Sorgen. Das kann man spätestens nach Fulda nicht mehr ernsthaft glauben.

Woher kommt diese besondere Form der Gewalt in Deutschland?

Ich weiß es nicht. Ich hab' keine Antwort darauf. Ich hab' wirklich keine Antwort mehr.

Haben Sie den Eindruck, gegen Mauern anzureden?

Ein Beispiel: Ich habe heute abend (Mittwoch) in Fulda ein Podiumsgespräch über den Nazi- Aufmarsch. Der hessische Ministerpräsident wird dasein, der Oberbürgermeister. Kaum war bekannt, daß ich auch komme, erhielt ich die ersten Anrufe. Leute, die mir mitteilten, was ein netter Mensch der Oberbürgermeister doch sei. So nach dem Motto: Mit dem mußt du schonend umgehen, weil es doch ein lieber Mensch ist. In vier Wochen hat der Kanzler zu einer Gesprächsrunde geladen. Seither zerbreche ich mir den Kopf: Womit gehe ich bloß hin? Ich weiß natürlich, was ich dort will. Aber welche Chance gibt es, das umzusetzen? Ich bin kein Freund schneller Verbote, aber dort, wo Gewalt anliegt, können wir nicht so tun von wegen: liberales Strafrecht, alles harmlos.

Sie wirken verunsichert.

Das stimmt. Ich bin viel hilfloser als vor einigen Monaten. Hilflos ist der richtige Ausdruck. Die Lage ist viel ernster. Ich will nicht sagen, daß die rechtsradikalen Tendenzen von Millionen Menschen mitgetragen werden. Noch sind es Minderheiten. Aber wir müssen Wege finden, wie man mit denen fertig wird. Interview: M. Schießl