Fahndungsfotos: Manuell oder mit Maus

■ Moderne Fahndungsbild-Programme gegen die alte Loseblatt-Sammlung

Fahndungsfotos: Manuell oder mit Maus

Moderne Fahndungsbild-Programme konkurrieren gegen die alte Loseblatt-Sammlung

Der Computer ist gestartet, das Programm „Phantombild“ geöffnet, die Demo beginnt. Sabine Rothert, Geschäftsführerin der auf Dokumenten- und Bildarchivierung spezialisierten Softwarefirma Nexus im Bremer Univiertel, spielt Kripoalltag an ihrem Bildschirm.

Mausklick und Start. Füttern der Datenbank mit Zeugenaussagen (Mann, Europäer, circa 40, Vollbart, buschige Brauen...). Starten des Suchmenüs: In Sekundenschnelle erscheinen auf dem Bildschirm passende „Referenzbilder“. Foto Nummer fünf sieht dem Täter ähnlich, beschließen wir. Das Bild wird „mit einem Pixel-Editor hochgeholt“, sprich: vergrößert, und mit Lust am technisch Möglichen manipuliert. Rothert kopiert unterschiedliche Nasen ein, hellt Wangen auf, sprüht Augenringe weg, zeichnet Narben und beschriftet - alles per Mausklick.

Der Kripo-Alltag sieht im richtigen Leben anders aus. Die Münchner und das Bundeskriminalamt in Wiesbaden haben eine Phantombild-Software seit langem installiert. Anders Bremen. „Wir leben noch mit Opas Kripo“, sagt Klaus-Dieter Elfert, Abschnittsleiter des Ermittlungsdienstes - einer 20-Personen-Abteilung, die u.a. Spuren am Tatort sichert und Straftäter ablichtet.

Wie eh und je begibt sich ein Zeuge also in Raum 368 im „Polizeihaus“ am Wall, in dem es streng nach Linoleum riecht. „Wir haben weder Räume noch Geld“, so der Erkennungsdienstchef, der sich für Zeugengespräche schon lange „ein gemütlich eingerichtetes Wohnzimmer“ wünscht. Hier brütet der Zeuge nun über Fotos von Wiederholungstätern, die nach Deliktgruppen sortiert in der „Lichtbildvorzeigekartei“ (insgesamt rund 13.000 Bilder) stecken. Erst wenn Spuren am Tatort, Zeugenaussagen und diese Kartei nicht weiterhelfen, wird ein Phantombild erstellt - und dazu gehört Geduld. Bis zu einem halben Tag kann es dauern, bis das Bild steht.

Ein alter Mann erinnert sich an die Frisur, eine mißhandelte Frau an die Augen des Täters - markante Erinnerungsfacetten, mit denen der Beamte das Phantombild beginnt. Aus einem abgegriffenen Holzkästchen fischt er Folien, die übereinandergelegt das Bild ergeben sollen. Zwischen Folien mit 144 unterschiedlichen Frisuren, 100 Augentypen, 32 Nasen, 16 Bärten etc. kann und muß der Zeuge wählen.

Das macht zuweilen Probleme. Denn die Folien des Systems „Identi-Kit Modell II“ stammen aus den Siebzigern. Brandaktuelle Brillen und Haarstylings suchen Beamte und Zeugen hier vergebens. Im Notfall muß man „manuell beigehen und zeichnen“, sagt Elfert. Und beklagt sich, daß auch an dringend benötigte Ersatzteile nicht mehr ranzukommen ist: „Die bekommen Sie höchstens noch auf dem Flohmarkt.“

„Es gibt Leute, da sitzt man drei Stunden, und es läuft überhaupt nichts“, berichtet Elferts Kollege Bernd Rosenke. Viele Zeugen sehen das Gesicht vor ihrem inneren Auge, können es aber nicht beschreiben. Oder aber die Gedächtnislücken sind zu groß, der Täter wurde aus einem unglücklichen Blickwinkel gesehen, die Lichtverhältnisse waren ungünstig. Da würde es auch nicht helfen, einen Zeichner aus Hannover oder Wilhelmshaven zu bestellen. In jedem zehnten Fall wird die Prozedur abgebrochen.

Ein computergesteuertes Phantombild als Lösung für Problemfälle? Diese Frage stellt sich für die Bremer Kripo erst gar nicht. „Im Moment zu teuer“, sagt Elfert kurz. Mindestens 100.000 DM würde die Einführung eines neuen Systems kosten. Schließlich wird diese aufwendige Fahndungsmethode nur bei schweren Delikten wie Tötung, Vergewaltigung und Raub eingesetzt. Das heißt: Im Schnitt ein bis zweimal pro Monat. Sabine Komm