piwik no script img

Die Krönung des Glücks

■ Wie Ben Bakare-Tinko, Schauspieler aus Nigeria, Bremen entzückt

Der Vater verprügelte ihn, als er erfuhr, daß sein Sohn Schauspieler werden wollte und die Mutter weinte: „Nicht mein Sohn, nicht Schauspieler.“ Wenn Ben Bakare- Tinko diese Episode heute erzählt, hört man die Mutter noch schluchzen und den Vater zum Schlag ausholen. Denn alle Einwände haben bei diesem Jungen nicht gefruchtet, er ist Schauspieler durch und durch — und schauspielernd erzählt er sein Leben.

Benjamin heißt er, „Bili“ ist die arabische Version seines Namens und in der Sprache der nigerianischen Yoruba tauften die Eltern ihn „Krönung des Glücks.“ Zum Glück der Hiesigen trägt Ben Bakare-Tinko heute bei. Beim Lagerhausfest zum Beispiel wurde er fünfzehn mal auf die Bühne geklatscht und mußte immer wieder den Krieger spielen, der die Antwort weiß auf die Frage: „Warum haben die Männer so kurze Schwänze?“

Vor langer Zeit, so erzählt er, ließ ein Krieger, der in den Kampf zog, seiner Frau den Schwanz als Treuepfand zurück. Meterlang waren die Schwänze. „Praktisch für's Seilspringen, oder als Krawatte für die schönen Hemden der Männer“ sagt Bakare-Tinko und legt sich dabei das imaginäre Schwänzchen unbefangen und ein wenig eitel um den Hals.

Aber nach dem Krieg wollte die Frau das Schwänzchen nicht wieder hergeben und versteckte es im Mund. Da wartete unser Krieger listig bis sie schlief und zog es ihr dann vorsichtig und mit spitzen Fingern aus dem Hals. Als die Frau davon erwachte, wurde sie ärgerlich. „NEIN“, schrie sie und ließ die Kiefer mächtig aufeinander krachen. Nun wissen wir, wie es geschah.

Für den 24jährigen Schauspieler Bakare-Tinko sind solche Auftritte sind nicht das Wichtigste, aber sie gehören zum Metier. „Ein Schauspieler muß alles können,“ findet er. Und übt sich in allem. Morgens paukt er an der Erwachsenenschule für das Abitur. Die Behörden haben seinen nigerianischen Abschluß nicht anerkannt und ihm die Bewerbung zur Hochschule der Künste verweigert. Nachmittags ist die Schriftstellerei dran, per Fernkurs, als Vorbereitung auf sein späteres Leben als Filmemacher. Und abends die Schauspielerei.

Allabendlich steht Bakare- Tinko als Regieassistent für den Jugendclub des Goethetheaters auf der Probebühne und übt mit den Jugendlichen für die nächste Aufführung. Stravaganza heißt das italienische Stück über Verrücktheit und Normalität. „Du bist verrückt, das hört man hier so oft,“ findet Ben. „Aber das ist ja die Frage — wer verrückt ist."

Seinen ersten Bühnenauftritt in Deutschland feierte er beim MOKS-Theater. In „Ein Mann kommt nach Deutschland“. Und er, wie kam er hierher? Oder mag er diese Frage nicht mehr beantworten? „Doch“, das will er. Aber nur höflich und ohne das Leuchten, mit dem er von der Theaterarbeit erzählt. Ein Stipendium des Goethe-Instituts in Lagos verschlug ihn hierher, als Sprachstudenten. Aber das ist zwei Jahre her. Und ewig wird er hier nicht bleiben, nur für die Ausbildung. „Amerika, New York, Berlin,“ seine Phantasie zieht ihn dahin, wo die großen Filmemacher sind. Da leuchtet er wieder, der „Benissimo“, wie ihn seine Freunde nennen. Eva Rhode

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen