Die Vorbeuger

■ Modellversuch zeigt neue Konturen des Gesundheitswesens

Wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben. Möglichst vielen Menschen soll ein solches Schicksal zuteil werden, „aber so spät wie möglich in ihrem Leben“ – das ist die Maxime des Ergänzungsstudiengangs Gesundheitswissenschaften/Public Health. Seit einem Jahr an der Technischen Universität als Modellversuch angeboten, bietet der viersemestrige Magisterstudiengang Zusatzqualifikationen für Uni-Absolventen – sofern sie sich in ihrem ersten Studium mit gesundheitsbezogenen Themen befaßt haben.

Die Idee der „Public Health“ wird seit den 70er Jahren aus Erkenntnissen über die Unzulänglichkeiten konventioneller Medizin in der Industriegesellschaft entwickelt: „Weg von der Behandlung – hin zu Gesundheitsförderung und Prävention.“ Immer noch ein Problem ist die Perversion des Gedankens durch die Nazis. „Die Übersetzung von ,Public Health‘ in ,Volksgesundheit‘ will deshalb keiner von uns“, meint Jutta Räbiger vom Berliner Forschungsverbund „Public Health“.

Die beiden Studienschwerpunkte heißen „Gesundheitsförderung in der Gemeinde und am Arbeitsplatz“ sowie „Planung und Management im Gesundheitswesen“. Sie sind geprägt durch den Standort Berlin. Die Verankerung an der TU biete „die beste Möglichkeit, deren Potential im Bereich der Ingenieur- und Planungswissenschaften zu berücksichtigen“ – so die Wissenschaftliche Mitarbeiterin Angelika Motes. Auch von den anderen Berliner Unis kommt das Lehrpersonal, ebenso vom Bundesgesundheitsamt oder direkt aus der ärztlichen Praxis.

Gute Berufschancen

Die Nachfrage nach den einmal jährlich vergebenen 40 Studienplätzen ist groß. Nur rund ein Viertel der InteressentInnen der bisherigen zwei Bewerbungen ging erfolgreich aus dem Losverfahren hervor. Neben MedizinabsolventInnen waren dabei häufig auch BewerberInnen sozialwissenschaftlicher Studiengänge vertreten. Die Berufschancen bewerten die OrganisatorInnen als günstig. In einer Auswertung von Stellengeboten und Expertenbefragungen fanden sie in einem Jahr bundesweit knapp 250 Stellen, die für AbsolventInnen in Frage kämen.

Der Bedarf an Public Health dürfte ohnehin weiter zunehmen – schon weil Umwelteinflüsse zunehmend für Erkrankungen verantworlich zu machen seien, schätzt Jutta Räbiger. Letztlich werde aber wohl „die Umsetzungsfrage bei Präventivmaßnahmen zentral“ werden. „Wer darf die Maßnahmen vornehmen, wer bezahlt sie?“ dürften die Gretchenfragen künftig heißen. Auch wenn der Sinn von Krankheitsvermeidung und Vorbeugung allgemein anerkannt sei.

Nach der vierjährigen Modellphase könnte der Studiengang dauerhaft an dem neugeschaffenen „Institut für Gesundheitswissenschaften“ der TU etabliert werden. Bis dahin wird noch Überzeugungsarbeit zu leisten sein. Immer noch fürchteten manche konventionellen Mediziner, sich durch die Unterstützung für Public Health „den eigenen Ast abzusägen“, hat Jutta Räbiger festgestellt. „Besonders aufgeschlossen“ für den Blick auf gesellschaftliche und umweltbedingte Krankheitsursachen seien dagegen Ärzte, „die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben“. Matthias Fink