Genehmigung war undemokratisch

■ Endlager Morsleben nur zu DDR-Zeiten genehmigt / Töpfer, Rauls und Atomkraftgegner treffen sich vor Gericht

Atomkraftgegner und Anwohner atmeten auf, als das Magdeburger Verwaltungsgericht im November 1991 juristisch einen Deckel auf das Atomklo in Morsleben setzte. Das Bundesamt für Strahlenschutz, so die Richter, habe das Endlager nie rechtmäßig übernommen. In den Vereinigungswirren sei die alte DDR-Genehmigung rechtlich unwirksam geworden. Aber der Druck der Atomlobby war zu stark. Das Bundesverwaltungsgericht kassierte das Urteil im Juni 1992, Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) und sein Bundesamt für Strahlenschutz darf das Atommüll-Endlager weiterbetreiben. Ab September diesen Jahres, erklärte Töpfer, soll wieder radioaktiver Müll zur Endlagerung in Morsleben angeliefert werden.

Dennoch werden Richter auf allen Ebenen weiterhin mit dem Atomklo beschäftigt sein. Die Rechtsanwältin Claudia Fittkow, die seinerzeit das Urteil des Magdeburger Verwaltungsgerichts erstritt, hat gerade eine Verfassungsklage gegen das Endlager eingereicht. Und die Umweltschutzorganisation Greenpeace hat bereits angekündigt, gegen den sachsen- anhaltinischen Umweltminister Wolfgang Rauls (FDP) Klage einzureichen. Er komme seiner atomrechtlichen Aufsichtspflicht nicht nach, meinen die Greenpeace-Aktivisten. Zwar weist das Magdeburger Umweltministerium diesen Greenpeace-Vorwurf zurück und schiebt den Schwarzen Peter dem Bonner Kollegen Klaus Töpfer zu, aber diese Argumentation steht auf wackeligen Füßen. Noch gibt es keine atomrechtliche Anweisung Töpfers, mit der Rauls zur Genehmigung des Weiterbetriebs gezwungen werden könnte. Und ein von Rauls in Auftrag gegebenes Gutachten des Berliner Umweltrechtlers Michael Kloepfer gibt, auch wenn es von Töpfer angezweifelt wird, der Magdeburger Landesregierung einiges an Munition gegen das Endlager und die Planungen des Bundesumweltministeriums an die Hand. Denn Minister Töpfer will mit Morsleben insbesondere den Entsorgungsdruck der westdeutschen Atomwirtschaft abmildern. Ab September, so Töpfer, soll in Morsleben wieder eingelagert werden, und zwar auch westdeutscher Atommüll.

Töpfer beruft sich dabei auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts, das den Weiterbetrieb von Morsleben zuläßt. Aber die Bundesrichter haben ausdrücklich gesagt, daß gemäß Einigungsvertrag und dem geänderten Atomgesetz die DDR-Genehmigung für den Betrieb des Endlagers aus dem Jahre 1986 quasi als Planfeststellungsbeschluß nach bundesdeutschem Recht weitergilt. Die Genehmigung von 1986 erlaubt den Betrieb des Endlagers bis zum Jahre 2000. Eingelagert werden darf, und das ist die wesentliche Einschränkung des Genehmigungsbescheides, ausschließlich Atommüll aus der DDR. Für Gutachter Michael Kloepfer heißt diese Einschränkung, daß die vom vereinigten Deutschland übernommene Atommüllkippe auch künftig nur für Strahlenabfall aus den neuen Bundesländern offensteht. Im Magdeburger Umweltministerium wird dieses Gutachten noch geprüft, seine Kernaussagen wurden vom Minister Rauls aber bereits übernommen.

Für die Greenpaece-Aktivisten ist die Einschränkung auf ostdeutschen Atommüll aber nicht weitgehend genug. Greenpeace-Atomexpertin Inge Lindemann verweist auf die massiven Sicherheitsbedenken und auch die fehlenden Analysen zur Langzeitsicherheit des Endlagers nach dem Auslaufen der geplanten Betriebsphase und droht Umweltminister Rauls mit einer Klage. Wenn Rauls auch nur die Einlagerung ostdeutschen Mülls zulasse, so die Greenpeace- Argumentation, gefährdet er die Sicherheit der Anwohner und verstoße damit gegen seine Amtspflichten.

Inzwischen gibt es aber auch verschiedene Überlegungen, gegen die Passage zur Übernahme des Endlagers durch das vereinigte Deutschland und die entsprechende Änderung des Atomgesetzes Verfassungsbeschwerde einzulegen. Denn nicht nur Michael Kloepfer hat politisch-moralische Bedenken gegen den Weiterbetrieb des Endlagers. In der Schlußbemerkung seines für das Magdeburger Umweltministerium erarbeiteten Gutachten gibt der durchaus konservative Autor eines Standardwerkes zum deutsch-deutschen Umweltrecht zu bedenken, daß es sich bei der geplanten weiteren Nutzung des Endlagers „um die geplante Ausnutzung einer undemokratisch verfügten Entscheidung der DDR durch die demokratische Bundesrepublik Deutschland“ handelt, „die es derzeit politisch offensichtlich nicht zustande bringt, ein Endlager zur realisieren“. Im Klartext heißt das, daß Morsleben trotz aller rechtlichen und sicherheitstechnischen Bedenken weitergeführt wird, weil die Genehmigung für ein Atommüll-Endlager im ehemaligen Erzbergwerk Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter noch in weiter Ferne ist.