Rasende Weißwurst einstweilen gestoppt

■ taz wg. Hackl landgerichtlich verurteilt

Berlin (taz) – Der Kurs für eine kleine Wehrkraftverunglimpfung liegt derzeit bei 4.000DM (Berliner Tarif): Das hiesige Landgericht verurteilte gestern den Chefredakteur der taz, Michael Sontheimer, in zweiter Instanz zu einer Geldstrafe in dieser Höhe. Grund: Die taz hatte auf der Medienseite vom 18.Februar 1992 (Sonderdrucke sind in Vorbereitung) die Kurzrezension eines Werbespots der Bundeswehr veröffentlicht, in welchem der Olympiasieger Schorsch Hackl radebrechend für mehr Freiwillige für die Wehrsporttruppe warb. „Hirn in Kufe“ war das Werk überschrieben, in dem vermutet wurde, „daß dem drallen Goldrodler sein Resthirn in die Kufen gerutscht sein muß“. „Rasende Weißwurst“ wurde Schorsch Hackl in Anspielung auf seine enganliegende Berufskluft wie sein eigenwilliges Heimatidiom genannt; die Bundeswehr sei der „überflüssigste Verein Deutschlands, der feindbildlos dahindümpelt“. Den in Rede stehenden Werbespot bezeichnete der deutsche Werbepapst Schirner wegen Dilettantismus übrigens als „klaren Fall von Wehrkraftzersetzung“.

Das Amtsgericht als erste Instanz hatte Sontheimer im Februar diesen Jahres in einem bemerkenswerten Urteil freigesprochen: „Jeder, der sich nur etwas mit Kurt Tucholsky befaßt hat, weiß oder könnte wissen, Militär und Satire sind sich fremd.“ Der „feuilletonistische Veitstanz“ sei erlaubt; zudem sei „die taz kein Blatt, in dem man Herkömmlich-Erbauliches erwarten“ dürfe: „Wer sicher sein will, nichts einen Militär Kränkendes über die Bundeswehr zu finden, der suche nicht gerade in der taz.“

Das Landgericht hob nun gestern dieses Urteil auf und übte in ungewöhnlicher Schärfe Kritik am Amtsrichter: Der Artikel habe Hackl in seiner persönlichen Würde herabgesetzt, ein sachliches Anliegen sei nicht zu erkennen. Das Urteil des Amtsrichters, der im Hause als literarisch interessiert bekannt sei, stecke voller Widersprüche. Sontheimer, der zwar am „Tattage“ nicht im Dienst gewesen sei, müsse als presserechtlich Verantwortlicher strafrechtlich die Verantwortung tragen. Anzeige hatte im übrigen nicht der verunglimpfte Heimatsportler erhoben, sondern sein Vorgesetzter, der Kommandeur des Gebirgsjägerbataillons 232 aus Bischofswiesen: Er sei jenen Text „nicht willens hinzunehmen“. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, die taz legt Revision ein und hält Sie auf dem laufenden. ES