Für eine "Polizei mit sozialer Kompetenz"

■ taz-Interview mit Hermann Lutz, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft / Mitverantwortlichkeit stärken

Für eine „Polizei mit sozialer Kompetenz"

taz-Interview mit Hermann Lutz, Bundesvorsitzender der Polizeigewerkschaft / Mitverantwortlichkeit stärken

taz: Herr Lutz, Sie sind Bundesvorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Nun hat Ihr Kollege hier in Bremen behauptet, Bremen sei die Kriminalitätshauptstadt überhaupt. Wie beurteilen Sie das?

Hermann Lutz: Wenn man die Zahlen von den Zentren Bremen und Frankfurt nimmt, ist das schon eine Belastung. Es ist aber auch eine Frage, wie weit das Gefühl der Menschen in Richtung Sicherheit in einer Stadt angeknackst ist oder nicht. Nur mit Zahlen zu operieren, halte ich nicht für ausreichend. Denn persönlich Opfer einer Straftat zu werden, ist dieser theoretische Vorgang, aber das Empfinden der Menschen und das Vertrauen in die Politik ist oft noch entscheidender als diese absoluten Zahlen.

Viele Gewalttaten, die hier in Bremen angezeigt werden, sind auf eine zunehmende Sensiblisierung und auf die Einführung von Sonderdezernaten gerade im Bereich sexueller Gewalt zurückzuführen.

Ich halte es für einen richtigen Weg, gezielt Felder anzugehen, und zwar durch Risikoerhöhung für bestimmte Straftäterbereiche: Die Erfahrung lehrt, wenn das Risiko niedrig ist, kann man es mit polizeilichen Mitteln allein nicht schaffen. Hier muß ein Verbund zwischen gesellschaftlichen und eben auch polizeilichen Mitteln eine Risikoerhöhung bringen. Eine vernünftige Zusammenarbeit der Gemeinschaft der Menschen mit unterschiedlichen Aufgaben bringt vielleicht eine Umkehr der Fehlentwicklung, die wir haben.

Den Polizisten wird oft vorgeworfen, sie tun nicht genug, während gleichzeitig immer mehr Menschen wegschauen, wenn Straftaten passieren. Hat da die Polizei nicht auch eine Aufgabe?

Ja, aber es kann nicht Aufgabe der Polizei sein, die Menschen gesellschaftlich zu erziehen im Sinne von Gemeinschaft. Ich sehe eine wesentliche Fehlentwicklung weg von Gemeinschaft, weg von Verantwortung, und das kann eine Polizei wirklich nicht leisten. Denn ich wehre mich auch dagegen, die Polizei in der Form zu mißbrauchen, daß sie Ordnung in eine Gesellschaft bringt.

Die Polizei hat die Aufgabe, Sicherheit zu produzieren, aber nicht dafür zu sorgen, die Menschen im Sinne von Ordnung, im Sinne von Ruhe zu erziehen. Das ist eine Aufgabe, die wir als Menschen gemeinschaftlich haben.

Welche Polizisten brauchen wir?

Wir als GdP haben immer formuliert, wir möchten Polizisten, die auch eine soziale Kompetenz haben. Das heißt für uns, ein Polizist muß erfahren in einer Gemeinschaft, wo die Probleme liegen und muß kompetent, auch sensibel mit diesen Problemen umgehen. Wenn jemand einen ganzen Tag gearbeitet hat und geht dann noch ein paar Windeln einkaufen, und er steht dann vielleicht zwei oder drei Minuten im eingeschränkten Halteverbot, dann ist die Frage der sozialen Kompetenz zu stellen. Damit will ich nicht dem Rechtsbruch zustimmen, aber ich sage, eine Gemeinschaft muß Recht so anwenden, daß die Menschen sich im Rahmen dieser Rechtsausübung noch wohlfühlen.

Es sollte auch nicht mehr eine klassische Trennung zwischen Schutz- und Kriminalpolizei geben. Ich als Bürger möchte den, der kompetent ist. Fragen: ra