Grüne bleiben bei Bosnien uneins

■ Zwischen Ohnmacht und „Machbarkeitswahn": Landesmitgliederversammlung beendete die Gewalt-Debatte mit einem Patt

„Eine Niederlage wäre besser als dieses Wischiwaschi“, erklärte Landesvorständler Arendt Hindriksen nach der Bosnien- Debatte auf der Landesmitgliederversammlung der Grünen am Samstag. Drei Stunden lang fielen die Argumente im Bürgerhaus Weserterrassen hin und her: Soll das Prinzip Gewaltlosigkeit im Angesicht des Grauens in Bosnien aufgegeben werden? Oder würde ein militärisches Eingreifen der UNO zu einer Eskalation der Gewalt in Bosnien führen?

Zum dritten Mal führten die Bremer Grünen auf einer Mitgliederversammlung diese Debatte, eine gemeinsame Position kam nicht dabei heraus. Sowohl der Antrag des Landesvorstandes, „der Möglichkeit einer militärischen Intervention als Mittel der Politik eine konsequente Absage“ zu erteilen, als auch der Antrag von Marieluise Beck, unter „Anwendung polizeilicher Zwangsmaßnahmen“ der Uno humanitäre Hilfe für die eingeschlossenen BosnierInnen durchzusetzen, fanden über ein Meinungsbild die Zustimmung etwa der Hälfte der rd. 60 anwesenden grünen Mitglieder. Mit großer Mehrheit beschlossen die Grünen darauf, die beiden Anträge nicht zur Abstimmung zu bringen.

Die Argumente auf beiden Seiten wurden emotional hoch gehandelt. „Ich weiß, daß meine Haltung Menschen weiter sterben lassen wird“, erklärte Hindriksen, der in der grünen Debatte um den Bosnien- Konflikt die Fraktion der Gewaltfreien vertrat und den Antrag des Landesvorstands wesentlich formuliert hatte. „Aber der Einsatz von Militärs in Bosnien wird noch mehr Tote, noch mehr Morden“ nach sich ziehen. „Unsere Position hat vor allem innenpolitische Bedeutung“, mutmaßte er, „sie soll die Koalitionsbereitschaft der Grünen im Bundestag an die SPD signalisieren.“

Den Widerpart zu dieser Position vertritt innerhalb der Grünen seit langem Marieluise Beck, die schon als Begleiterin eines Hilfskonvois für Bosnien im Kampfgebiet war. „Konvois mit Hilfsgütern verlieren ihren Sinn, wenn sie ihr Ziel nicht erreichen“, sagte sie. Zwei Millionen Menschen seien in Bosnien derzeit eingeschlossen, und von 2.000 Tonnen Hilfsgütern kämen derzeit rd. 180 Tonnen an. „Der Rest kommt der serbischen Kriegsmaschinerie zugute“, die die Konvois aufhält und systematisch um ihre Ladung erleichtere.

Zwischen den Positionen Becks und Hindriksens verlief auch die Debatte. Peter Puppe appellierte, nicht „aus einem tiefempfundenen Ohnmachtsgefühl einem neuen Machbarkeitswahn“ zu verfallen. Auch eine militärische Lösung garantiere letztlich nicht die Befriedung des Gebietes. Ulla Schaarschmidt erklärte: „Gewaltfreiheit läßt sich nicht machen, ich habe keine Lösung gefunden.“ Anni Ahrens, frische Rückkehrerin bei den Grünen, mahnte: Wir dürfen das Prinzip Gewaltfreiheit nicht aufgeben.“ Birgit Geißler: „wo war denn die Gewaltlosigkeit, als es um Nicaragua, Südafrika, Afghanistan ging?“

Herman Kuhn verglich die grüne Debatte mit Debatten in Frankreich und England nach dem Münchner Abkommen von 1938. „Auschwitz war aber 1938 weniger sichtbar als das, was heute sichtbar ist.“ Ralf Fücks: „Pazifismus darf nicht zu Fatalismus werden.“ Die Grünen seien militärischer Gewalt gegenüber nicht so ablehnend gewesen, „wenn das antiimperialistische Bild paßte“. Ob er denn seinen Sohn nach Bosnien schicken würde, wurde Fücks gefragt. „Ja!“ sagte der. Martin Thomas: „Es geht nicht darum, seinen Sohn in den Krieg zu schicken, sondern zu akzeptieren, daß es Leute gibt, die ihr Leben zum Schutz der Bosnier einsetzen wollen.“

Walter Ruffler schließlich erinnerte an Israel: Das sei 1948 gegründet worden „und Hunderttausende Palästinenser sind vertrieben worden.“ Später habe die UNO Israel anerkannt, ob Gleiches nicht auch im Falle einer Teilung Bosniens geschehen könne?

Cecilie Eckler-von Gleich wies den Weg aus der Diskussion. „Diesen Grundkonflikt, den halten wir doch aus. Warum sollen wir einen der Anträge übers Knie brechen?“ Insgesamt lagen den Grünen fünf Anträge vor, wie über Bosnien zu entscheiden sei, zwei blieben über: Der Beck-Antrag und der Antrag des Landesvorstandes. Mit beiden Positionen wollen die Bremer Grünen jetzt in die Bundesdelegierten-Versammlung gehen. „Ich find's okay“, erklärte Marieluise Beck hinterher. mad