ZDF-Technik plant Märklin-Fernsehen

■ ...und die Medienpolitik verschnarcht die digitale Fernsehzukunft

„Wir sehen die Chance, über kurz oder lang mehrere Spartenprogramme anzubieten. Und das wahrscheinlich auf Pay-TV-Basis. Darauf bereiten wir uns ganz konkret vor.“ Was da Albrecht Ziemer, Technischer Direktor des ZDF auf einer Podiumsdiskussion am Rande der Internationalen Funkausstellung verkündete, birgt Sprengstoff in sich. Die medienpolitischen Minenhunde werden ob solcher Äußerungen ihre Ohren sehr fein spitzen. Andere Probleme dagegen – so scheint's – werden verschlafen.

Ausgerechnet das ZDF, dessen Privatisierung in einschlägigen Interessenkreisen schon seit längerer Zeit herbeigeredet wird, will auf die mögliche Ausweitung der Fernsehkanäle durch die digitale Fernsehtechnologie mit einer Angebotsoffensive reagieren. Als Pay-TV-Kanal könnte sich das jeweilige ZDF-Spezialangebot möglicherweise selbst tragen. Man darf aber andererseits getrost davon ausgehen, daß die so eingenommenen Gelder den Rundfunkpolitikern als willkommenes Argument gegen eine Gebührenerhöhung für die mediale Grundversorgung dienen werden.

Die Diskussion über die neuen Möglichkeiten digitaler Fernseh- Übertragung hat inzwischen ein Galopptempo erreicht, spielt sich aber nahezu ausschließlich noch in den Zirkeln der TV-Ingenieure ab. Programmverantwortliche, Programmacher und Medienpolitiker glänzen in der Debatte durch Abwesenheit. Techniker faseln von zig verschiedenen Standards, die auf den Markt kommen werden. Die Industrie jammert einmal mehr nach Subventionen. Und beide zusammen versprechen den Fernsehzuschauern baldmöglichst mehrere hundert TV-Kanäle via Satellit. Pierre Meyrat, Chef der „Astra“-Betreibergesellschaft SES, rechnet vor, daß allein über sein Satellitensystem ab 1996/97 an die 600 Fernsehprogramme ausgestrahlt werden könnten. Die Ingenieure verweisen auf die Entwicklung in der Presse, wo sich seit Ende der siebziger Jahre auch der Trend zum Special-Interest-Magazin durchgesetzt habe.

Doch wer soll die verschiedenen Programme bezahlen? Albrecht Ziemer rechnete vor, daß ein Pay- TV-Programm mit 500.000 bis 700.000 regelmäßigen Zuschauern auskommen könne. Doch ein vergleichender Blick auf den Zeitschriftenmarkt zeigt, daß sich eine Aufzählung von Blättern mit dieser Auflagenhöhe schnell erschöpft. Wo bleiben die Fernsehproduzenten, die den Ingenieuren einmal die Kosten für Programm für Modelleisenbahner oder Strick- und Schnittmustershows vorrechnen? Wo sind die Medienpolitiker, die wenigstens anfangen, sich darüber zu informieren, welch ein Chaos an verschiedenen Fernsehnormen derzeit diskutiert wird?

In dieser undurchsichtigen Gemengelage leuchtet die Entschlossenheit des „Astra“-Chefs Meyrat wie ein Blitz auf: Er will sich von den Normungsgremien nicht vorschreiben lassen, in welcher Codierung sein Satellit die Programme nach unten strahlen soll. Ein spezielles „Astra“-Verfahren für spezielle „Astra“-Receiver liegt ihm am Herzen, um so sein Satellitenmonopol auch technisch abzusichern. Wo sind die Medienpolitiker, die sich jetzt schon Gedanken machen, wie sie gestaltend eingreifen können in den auf uns zu kommenden Wildwuchs technischer, programmlicher wie rundfunkrechtlicher Art?

Gestaltend eingreifen hieße unter anderem, sich schon jetzt Regelungen zu überlegen, damit nicht eine Unzahl von Spartensendern wirtschaftlich in den Sand gesetzt werden. Gestaltend eingreifen hieße aber auch, sich für technische Optionen einzusetzen, die die digitalen Möglichkeiten in dem Sinne nutzen, daß zumindest mehr technische Qualität statt Quantität über die Transponder abgestrahlt wird. Die Alternative: ein „feinporiges“ HDTV-Programm pro Kanal oder sechsmal die vervielfältigte Einfalt von heute. Dann doch in Fritz Teufels Namen lieber HDTV. Jürgen Bischoff