Polens Privatisierung im Wahlkampf

■ Schnell privatisieren heißt Gauner geradezu einladen

Warschau (taz) – Lech Kaczynski, Chef des polnischen Obersten Rechnungshofes, verließ das Gerichtsgebäude im Eilschritt und mit zusammengepreßten Lippen. Soeben hatten ihn die Richter zu 20 Mio. Zloty Strafe (ca. 2000 DM) und dazu verurteilt, sich bei Polens Privatisierungsminister Jan Lewandowski öffentlich zu entschuldigen. Der Vorwurf, so die Richter, Lewandowski habe bei der Privatisierung der Walzhütte Norblin einseitig den schlechteren Bieter bevorzugt, halte einer Überprüfung nicht stand. Das war auch eine politische Ohrfeige, denn Kaczynski kandidiert zugleich für die rechte „Zentrumsallianz“, während Lewandowski einer der Spitzenkandidaten der Liberalen im Parlamentswahlkampf ist.

Politisch hat Kaczynski mit seinen Attacken durchaus Erfolg. Die Privatisierung ist zum Wahlkampfthema Nummer eins geworden, und das bekommt ihr überhaupt nicht. Eine Mehrheit der Polen assoziiert den Verkauf staatlicher Firmen an Private inzwischen mit wenig werbewirksamen Begriffen wie Gaunerei, Korruption und schmutzige Tricks.

Nicht ganz zu Unrecht: Beim Verkauf der renommierten Porzellanfabrik „Porcelana SA“ in Waldenburg beispielsweise schraubten die neuen polnischen Besitzer die Löhne in den Keller, ihre Aufsichtsratsgehälter dagegen in ungeahnte Höhen. Der Chef des Aufsichtsrats erhielt so am Ende 15.000 Dollar monatlich, bei einem polnischen Durchschnittslohn von gerade mal 250 Dollar.

Hinter dem Streit steckt ein Dilemma, das Polen trotz vier Jahren Privatisierung immer noch nicht gelöst hat: daß man nicht schnell privatisieren kann, wenn es hundertprozentig ehrlich zugehen soll. Den Beweis dafür liefert Kaczynski in seinem eigenen Report. Bisher haben die Regierungen Mazowiecki, Bielecki und Suchocka die meisten großen Staatsbetriebe unters Volk gebracht: insgesamt 432. Unter der von Kaczynskis Zentrumspartei gebildeten Regierung Olszewski dagegen fanden gerade 33 Betriebe neue Eigentümer. Das Zentrum war angetreten, die Mißbräuche bei der Privatisierung einzudämmen. Und die lassen sich, so die Erfahrung, eben nur zusammen mit der Privatisierung eindämmen. Klaus Bachmann