Bißchen breit, der Schädel

■ Von einem, der immer wieder entdeckt wurde, aber folgenlos: Der Bremer Zeichner Georg Greiwe auf dem Weg zum Ruhm

hierhin bitte den

Mann mit Brille

und Topffrisur

Georg GreiweFoto: bus

„Brille groß, Stirn groß, Nase klein, Mund klein.“ Kurz taxiert, und schon geht's los: Der Bleistift rutscht übers Papier, erst kommt die Brille, daran wird die Nase gehängt, dann der Mund: „Lächeln! Ich mach' Zähne gern groß.“

Karikatur-Sitzung bei Georg Greiwe. 15 Minuten, 15 Mark, kann man nichts sagen. Immerhin ist Greiwe (Jg. 62) der Meister, der regelmäßig für die Seite 6 im Bremer „Mix“ Comics zeichnet, und er schätzt die Gesamtzahl seiner Porträts und Karis auf über 300. Ja er hatte schon eine Einzelausstellung, im Kurhaus in Bad Bellingen im Schwarzwald.

„Ach wäre doch die taz eine Schülerzeitung, dann wäre es einfacher.“ Der Künstler ist unter Druck, muß sogar hin und wieder zum Radiergummi greifen. Das Unglück von Georg Greiwe indessen ist ganz anderer, nämlich seltener Natur. Nicht, daß er noch nicht entdeckt sei: Er wird quasi immer wieder entdeckt. Werbeleute, Presseleute, Privatmenschen, alle loben sein Talent, besorgen ihm kleine Jobs - aber das war's dann.

Die Karriere kommt seit Jahren nicht in Schwung. Es gibt sogar, und da ist er einfach fassungslos, Verlage, im Vertrauen gesagt: viele, die sein selbstgemachtes Bilderbuch zwar prima finden, es aber partout nicht drucken wollen. Titel: „Die Geschichte des Klos“.

Irgendwie eine intensive Situation, wenn der Zeichner dem Porträtierten überlang in die Augen blickt. Wenn Georg Greiwe auf Floh- und Trödelmärkten sitzt, wird das manchmal schwierig - dann, „wenn der Lover daneben steht; die Männer werden ganz schnell nervös“ ob der tiefen Blicke. Sein nächster Job ist beim Achimer Stadtfest.

Sein erster Stand war in Lörrach, wo er mit einer Sondernutzungsgenehmigung saß und für fünf Mark den Leuten große Ohren und Nasen malte. Damals versuchte der Absolvent einer privaten Grafikerschule, von der Kunst zu leben. Mit kleinem Erfolg. Also jobbte er in der Rezeption eines Hotels, als Gläserwäscher im Kaufhofrestaurant und zuletzt als Foto-Fachverkäufer.

Da kam die Kunst zu kurz, und das soll anders werden: „Wenn ich untergehe, gehe ich lieber mit dem unter, was ich kann.“ Nur noch Zeichnen, und sei es im Dienste irgendwelcher Werbetreibenden. Nur für Automobile will er nicht werben und auch nicht für Roboter, die Leute arbeitslos machen.

Wir nähern uns dem Ende der Sitzung. „Bißchen breit, der Schädel“, er sieht es ein. Hat's schon mal Ärger gegeben ob einer Zeichnung? O ja! Damals, die schwäbische Familie, da hatte er die Tochter gezeichnet und den Clan zutiefst beleidigt.

Georg Greiwe scheint gerade die Haupthaare zu zählen. „Ich bin ein Detail-Fetischist,“ bekennt er, „mit dem Wesentlichen bin ich nicht zufrieden - eine Hosenfalte ausfabulieren, das macht mir Spaß.“ Sein entschiedener Strich, seine werbegrafisch routinierte Auslegung der Flächen - gewiß hat er Chancen, Sieger zu werden: bei einem Preisausschreiben der niedersächsischen Grünen für Nachwuchskarikaturisten zum Thema „Leben zwischen den Kulturen“. Eine Idee: ein alter Türke im Kontrast zu einem knutschenden Liebespaar.

Der große Moment. Womöglich ist Georg Greiwe aufgeregter als sein Modell, schließlich hat er, als schon alles zu spät war, noch festgestellt, daß die Nase in Wirklichkeit und von der Seite spitz ist - „das hätte ich mehr rausgehängt“. Und eilig bietet er an: „Mußt auch nicht den vollen Preis zahlen.“ So aber startet man keine Karriere. Burkhard Straßmann