„Wir fangen nicht bei Null an“

■ Ein Gespräch mit dem Babelsberger Dramaturgen Thomas Bauermeister

taz: Welche Konsequenzen hat der Vertrag mit der Vertriebsgesellschaft „Island World“ für Ihre Arbeit? Produziert Babelsberg künftig B-Pictures für den Kassettenmarkt?

Bauermeister:Nein, wenn man die Island World Projekte ansieht, ist dieser Gedanke völlig absurd. Zunächst einmal wird das keine Konsequenzen für die Dramaturgie haben, weil wir darauf angewiesen sind, Eigenproduktionen zu machen, Stoffe aus dem eigenen Haus zu entwickeln. Wir brauchen Fernsehproduktionen, Serien, Dienstleistungen, bis hin zu internationalen Koproduktionen, für die nun eben unter anderem auch Island World zuständig ist. Daß Stoffe international verträglich und erfolgreich sind, heißt ja nicht, daß sie ein niedriges Niveau haben müssen; wenn man Schrott wollte, könnte man gleich woanders und billiger drehen.

Hat Babelsberg überhaupt noch eine Chance, Fernsehproduktionen abzukriegen, wenn Adlershof als Fernsehstandort erhalten bleibt?

Die Bertelsmann-Tochter Ufa hat sich bereits in Babelsberg etabliert und wird bis zum nächsten Sommer mit sechs Tochterfirmen einziehen, der ORB hat hier sein Sendezentrum, es gibt weitere Interessenten, mit denen wir zur Zeit in sehr guten Verhandlungen stehen. Die Unklarheiten hingen wohl eher mit der politischen Mediensituation zwischen Brandenburg und Berlin zusammen, aber seit letztem Mittwoch sind wir ausgesprochen zuversichtlich.

Worin besteht das Konzept für ihre Eigenproduktionen?

Wir fangen nicht bei Null an, sondern wir beziehen uns auf eine bestimmte Tradition, die der Ufa insgesamt, der Nazizeit, DEFA- Stoffe. Wir entwickeln im Moment eine Babelsberg-Trilogie, mit Beiträgen verschiedener internationaler Regisseure und einem hohen Budget; es geht um die Perspektive der Leute, die hier gearbeitet haben. 1912/13 herrschte hier diese Aufbruchsstimmung, dieses Abenteurertum, dann die zwanziger Jahre mit der Filmkunst, später der Versuch, Film zum Propagandainstrument zu machen...

In Babelsberg liegt es ja nah, auch aktuelle Themen zu behandeln, deutsch-deutsches zum Beispiel...

Ja, die Wende ist das Thema eines sehr aktuellen Projekts, das wir gerade entwickeln. Dann gibt es hoffentlich einen Heimatfilm, aber nicht wie „Förster im Silberwald“, sondern etwas über eine bestimmte Volksgruppe. Dann kommt noch eine Kriminal-und eine Frauenkomödie dazu. Wenn alles gut geht, werden wir in einem Monat an einem Dutzend eigener Projekte arbeiten.

Warum drehen deutsche Filmemacher wie Wim Wenders nicht in Babelsberg?

Dazu ist es noch zu früh, da muß man Geduld haben, die neuen Betreiber sind gerade ein Jahr im Amt. Ich wundere mich immer ein bißchen über Leute, die an Bedingungen der ehemaligen DDR gewöhnt waren, wo eben Geld und Zeit keine Rolle spielten, und die nun zur Eile mahnen und gleichzeitig der Zeit nachtrauern. Der Druck von außen auf dieses Studio ist enorm. Komischerweise ist die Stimmung trotzdem verblüffend gut, wohl weil die Auswirkungen der ersten Investitionen jetzt spürbar sind. Mit Thomas Bauermeister sprach Mariam Niroumand